Immobilienrecht

Textform statt Schriftform – Reduzierte Formvorgaben bei erhöhten Risiken in Gewerbemietverträgen

13.02.2025

Der Bundesrat hat am 18.10.2024 dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz zugestimmt. Der Bundestag hatte das Gesetz am 26.09.2024 beschlossen. Eine der zahlreichen Änderungen betrifft das gesetzliche Schriftformerfordernis für langfristige Mietverhältnisse

Neon-Illustration eines Briefumschlags

Der Bundesrat hat am 18.10.2024 dem Vierten Bürokratieentlastungsgesetz zugestimmt. Der Bundestag hatte das Gesetz am 26.09.2024 beschlossen. Eine der zahlreichen Änderungen betrifft das gesetzliche Schriftformerfordernis für langfristige Mietverhältnisse: Nach bisherigem Recht galt für alle Mietverträge mit einer Laufzeit von mehr als einem Jahr gemäß § 550 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) das Schriftformerfordernis. Für Mietverhältnisse über Grundstücke und über Räume, die keine Wohnräume sind, soll künftig die Textform ausreichen. Das soll bürokratischen Aufwand reduzieren und die Flexibilität bei der Vertragsgestaltung erweitern. Gleichzeitig müssen jedoch die Vertragsparteien sicherstellen, dass die neuen Anforderungen korrekt umgesetzt werden, um rechtliche Unsicherheiten zu vermeiden. Die gesetzliche Neuregelung trat am 01.01.2025 in Kraft.

Das genaue Datum des Inkrafttretens ist maßgeblich für die gesetzlichen Übergangsregelungen: Auf Grundstücks- und Gewerberaummietverhältnisse, die vor dem Tag des Inkrafttretens entstanden sind, ist noch bis zum Ablauf von zwölf Monaten nach dem Inkrafttreten das bisherige Schriftformerfordernis gemäß § 550 BGB weiter anzuwenden. Für alle nach dem Inkrafttreten vereinbarten Änderungen sowie für alle neuen Mietverhältnisse gilt dann bereits die reduzierte Textform. Die bisherige Regelung in § 550 BGB zum Schriftformerfordernis hat erhebliche praktische Bedeutung und führt in der Vertragspraxis nicht selten zu rechtlichen Auseinandersetzungen zwischen den Vertragsparteien. Mit der Neuregelung wollte der Gesetzgeber die mit der bisherigen Rechtslage verbundenen Unsicherheiten und Streitigkeiten reduzieren, was leider allenfalls teilweise geglückt ist.

Bisherige Rechtslage: Schriftform

Bisher schreiben §§ 550, 578 Abs. 1, Abs. 2, 126 BGB vor, dass Gewerbemietverträge, die für länger als ein Jahr geschlossen werden, dem Schriftformerfordernis unterliegen. Ein Verstoß gegen diese Schriftform führt zwar nicht zur Unwirksamkeit des Mietvertrags. Allerdings kann der Mietvertrag trotz der vereinbarten Laufzeit vorzeitig unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist (zwei Quartale) ordentlich gekündigt werden, soweit die Mindestvertragslaufzeit von einem Jahr abgelaufen ist. Die Schriftform umfasst dabei alle wesentlichen Vertragsbestandteile, die von beiden Parteien auf derselben Urkunde unterzeichnet werden müssen. Auch Nachträge zu Gewerbemietverträgen unterfallen dem Schriftformerfordernis. Die fehlende Schriftform bei dem Abschluss eines Nachtrags kann dabei den ursprünglichen Mietvertrag „infizieren“ mit der Folge, dass der Mietvertrag insgesamt nicht schriftformgemäß und damit vorzeitig kündbar ist.

Hintergrund dieser gesetzlichen Regelung ist der damit bezweckte Erwerberschutz. Der Erwerber einer Immobilie tritt als neuer Vermieter in das Gewerbemietverhältnis mit dem bisherigen Mieter ein. Um den Erwerber vor unbekannten vertraglichen Regelungen zu bewahren, sollen sämtliche wesentlichen vertraglichen Inhalte der Schriftform entsprechen und für den Erwerber daher verifizierbar und erkennbar sein.

Neue Rechtslage: Textform

§ 578 Abs. 1 BGB wird ein neuer Satz 2 angefügt: „§ 550 ist mit der Maßgabe anzuwenden, dass ein Mietvertrag, der für längere Zeit als ein Jahr nicht in Textform geschlossen wird, für unbestimmte Zeit gilt.“ Zur Einhaltung der Textform (§ 126b BGB) muss eine lesbare Erklärung, in der die Person des Erklärenden genannt ist, auf einem dauerhaften Datenträger abgegeben werden.

Damit könnten langfristige Mietverträge künftig beispielsweise auch per E-Mail oder sogar per Messenger abgeschlossen werden, was zur Einhaltung der Schriftform nicht ausreichend gewesen wäre. Auch mit der Gesetzesänderung dürfte allerdings der bloße Wechsel von WhatsApp-Nachrichten zum Vertragsinhalt auch in Zukunft nicht ausreichend sein, um ein Mietverhältnis mit langer Vertragsdauer zu begründen. Wie gewichtig die mit der neuen Gesetzeslage einhergehenden Änderungen sind, ergibt sich aus folgendem Beispiel:

In der Vertragsurkunde wird als Mieter eine aus zwei Gesellschaftern bestehende GbR (Gesellschaft bürgerlichen Rechts) angegeben, die von den beiden Gesellschaftern vertreten wird. Der Gewerbemietvertrag mit einer Festlaufeit von fünf Jahren wird auf Mieterseite allerdings nur vor einem Gesellschafter unterschrieben, ohne dass dieser mit einem Vertreterzusatz (i. V.) auch für den anderen Gesellschafter den Mietvertrag unterzeichnet. Nach der bisherigen Rechtslage ist das Schriftformerfordernis nicht eingehalten, weil unklar ist, ob der unterzeichnende Gesellschafter den Vertrag auch für den anderen Gesellschafter unterschrieben hat oder ob die Unterschrift des anderen Gesellschafters möglicherweise auf der Vertragsurkunde vergessen wurde und der Vertrag insofern unvollständig ist. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in zahlreichen Entscheidungen eine solche Konstellation als Verstoß gegen das Schriftformgebot bewertet mit der Folge, dass beide Vertragsparteien nach Ablauf der Mindestlaufzeit von einem Jahr den Gewerbemietvertrag unter Einhaltung der gesetzlichen Kündigungsfrist ordentlich kündigen können.

Mit der Neuregelung ist es ausreichend, dass der Vertragstext und die Vertragsparteien in der Vertragsurkunde niedergelegt werden. Unterschrieben werden muss die Vertragsurkunde zur Einhaltung der Textform allerdings nicht. Insofern ist die fehlende Unterschrift des zweiten Gesellschafters unproblematisch und führt nicht zu einem Verstoß gegen das Textformerfordernis.

Alte und neue Probleme

Die Abschaffung der Schriftform soll vor allem den digitalen Schriftverkehr fördern. Damit sollen insbesondere Zeit und Ressourcen gespart werden, indem der Verwaltungsaufwand für Vermieter und Mieter dadurch reduziert wird, dass Verträge unkompliziert in elektronischer Form geschlossen und verwahrt werden können.

Allerdings bleibt der Erwerberschutz damit auf der Strecke. Mit der Abschaffung des Schriftformerfordernisses besteht die Gefahr, dass Absprachen oder Änderungen, die per E-Mail oder Messenger vereinbart wurden, nicht vollständig dokumentiert und für den Erwerber schwer nachvollziehbar sind. Ein Erwerber als in den Mietvertrag eintretender neuer Vermieter ist aber gleichwohl an diese in Textform abgeschlossenen Vereinbarungen in Zukunft gebunden. Dieses Risiko stellt insbesondere die Informationstransparenz und die Vertragsgestaltung zwischen Verkäufer und Erwerber des vermieteten Grundstücks auf den Prüfstand. Der Erwerber wird vor Abschluss des Kaufvertrags eine besonders sorgfältige Due Diligence durchführen, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden.

Insbesondere umfangreiche E-Mail-Korrespondenzen, die zur Einhaltung der Textform ausreichend sind, können zu erheblichen Unsicherheiten führen. Bei längeren Verhandlungen, die sich über mehrere Nachrichten erstrecken und verbindliche Vereinbarung bereits enthalten können, besteht die Gefahr, dass Vereinbarungen unklar werden oder wesentliche Punkte nicht eindeutig festgehalten bleiben.

Zudem ist zu beachten, dass das Erfordernis der „Einheitlichkeit der Urkunde“ auch bei der Textform fortbesteht. Diese durch den BGH entwickelte Rechtsprechung bedeutet, dass alle wesentlichen Vertragsinhalte eindeutig in Bezug zueinander stehen müssen.

Diese Einheitlichkeit muss durch fortlaufende Bezugnahmen und klare Verweise gewährleistet sein, so beispielsweise bei zutreffender und lückenloser Nummerierung von Nachtragsvereinbarungen zum ursprünglich geschlossenen Mietvertrag. Besonders bei Vertragsänderungen in E-Mail-Form könnte es jedoch problematisch werden, eine solche lückenlose Dokumentation zur Einheitlichkeit der vertraglichen Vereinbarungen sicherzustellen. Welche Anforderungen die Rechtsprechung daran stellt, wird sich in Zukunft erst noch zeigen.

Eigene Formvorschriften im Vertrag

Ob der Gesetzgeber mit der Reform tatsächlich die gewünschte Bürokratieentlastung erreicht, bleibt abzuwarten. In jedem Fall entstehen mit der neuen reduzierten Formvorschrift weitere Probleme im Zusammenhang mit einer nachvollziehbaren Dokumentation der wesentlichen Vertragsinhalte. Zur Vermeidung dieser Unsicherheiten bedarf es in Zukunft klarer vertraglichen Regelungen. Es bietet sich an, in Mietverträgen eigene Formvorschriften zu vereinbaren. Im Rahmen von Erwerbsvorgängen werden Garantien und Vollständigkeitserklärungen in Kaufverträgen erheblich an Bedeutung gewinnen.

Durch die Neuregelung wird die Vertragsgestaltung von Gewerbemietverträgen nicht weniger kompliziert. Die im Bau- und Immobilienrecht tätigen Rechtsanwälte bei SPIEKER & JAEGER stehen für Beratung und Gestaltung gerne zur Verfügung.

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