Baurecht

Kein Aufmaß möglich: Wie kann der Auftragnehmer prüfbar abrechnen?

13.02.2025

In der Baupraxis ist es keine Seltenheit, dass ein Aufmaß zur Ermittlung der erbrachten Leistungen nicht (mehr) möglich ist. Doch wie können Auftragnehmer in solchen Fällen trotzdem rechtssicher abrechnen? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Fragestellung in einer aktuellen Entscheidung aufgegriffen und klare Vorgaben gemacht (B. v. 26.09.2024, I ZR 161/23).

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In der Baupraxis ist es keine Seltenheit, dass ein Aufmaß zur Ermittlung der erbrachten Leistungen nicht (mehr) möglich ist. Doch wie können Auftragnehmer in solchen Fällen trotzdem rechtssicher abrechnen? Der Bundesgerichtshof (BGH) hat diese Fragestellung in einer aktuellen Entscheidung aufgegriffen und klare Vorgaben gemacht (B. v. 26.09.2024, I ZR 161/23).

Der Fall

In dem zugrundeliegenden Sachverhalt verlangte ein Auftragnehmer die Zahlung des restlichen Werklohns für den Abtransport von Erdmassen, die beim Bau eines Tunnels anfielen. Laut Vertrag war die Abrechnung auf Grundlage eines vom Auftraggeber zu erstellenden Aufmaßes in Kubikmetern vorgesehen. Der Auftraggeber erstellte für wesentliche Teile des Tunnels kein Aufmaß.

Der Auftragnehmer berechnete daraufhin den Aushub nach tatsächlich abgefahrenen Massen auf Basis der Anzahl der beladenen LKW. Der Auftraggeber lehnte einen Ausgleich der Schlussrechnung ab. Das Berufungsgericht bewertete den Vortrag des Auftragnehmers zum Aushub als unschlüssig und gab dem Auftraggeber recht.

Der BGH hob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf und verwies die Angelegenheit zur erneuten Entscheidung an das Berufungsgericht zurück.

Die Entscheidung

In seiner Entscheidung stellt der BGH klar: Ist ein Aufmaß unmöglich, genügt der Auftragnehmer seiner Verpflichtung zur prüfbaren Abrechnung, wenn er alle zur Verfügung stehenden Umstände mitteilt, die Rückschlüsse auf den Umfang der erbrachten Leistungen ermöglichen.

Zur Begründung führt der BGH aus, dass die Unmöglichkeit der vertragsgemäßen Abrechnung aus dem Verantwortungsbereich des Auftraggebers rühre, da dieser seiner Pflicht zur Erstellung des Aufmaßes nicht nachgekommen sei. Der Auftragnehmer hingegen habe alle ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen zur Dokumentation vorgelegt und so seine Berechnung plausibel dargelegt. Damit genüge der Auftragnehmer seiner Darlegungs- und Beweislast. Kommt der Auftraggeber seinen Pflichten nicht nach, so dürften dem Auftragnehmer keine überhöhten Nachweispflichten auferlegt werden.

Gemeinsames Aufmaß nach VOB/B

Zu beachten ist, dass der BGH einen Einzelfall entschieden hat, bei dem sich der Auftraggeber vertraglich zum Aufmaß verpflichtet hat. Grundsätzlich liegt diese Verantwortung beim Auftragnehmer. Um Konflikte bei der Abrechnung zu vermeiden, schreibt § 14 Abs. 2 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen Teil B (VOB/B) vor, dass das Aufmaß „möglichst gemeinsam vorzunehmen“ ist. Verweigert der Auftraggeber seine Mitwirkung am gemeinsamen Aufmaß unberechtigt, dreht sich die Beweislast: In einem solchen Fall wird das vom Auftragnehmer erstellte Aufmaß verbindlich, solange der Auftraggeber dessen Korrektheit nicht widerlegen kann.

Praxistipps für Auftragnehmer

  • Sorgfältige Dokumentation: Es empfiehlt sich, sämtliche erbrachten Leistungen durch Fotos, Arbeitsberichte, Lieferscheine oder digitale Scans lückenlos zu dokumentieren.
  • Plausible Schätzungen: Fehlt ein Aufmaß, können fundierte Schätzungen – beispielsweise basierend auf Erfahrungswerten oder technischen Berechnungen – eine tragfähige Grundlage für die Abrechnung bieten.
  • Präzise Schlussrechnung: Die Schlussrechnung sollte Art und Umfang der erbrachten Leistungen möglichst detailliert beschreiben, um eine Schätzung der Mindestvergütung zu ermöglichen.
  • Rechtzeitige Beweissicherung: Im Hinblick auf mögliche Rechtsstreitigkeiten ist es essenziell, Beweismaterialien zeitnah zu sichern, um im Streitfall auf diese zurückgreifen zu können.

Fazit

Auftraggeber und Auftragnehmer sollten möglichst ein gemeinsames Aufmaß erstellen, um Abrechnungsstreitigkeiten zu vermeiden. Vereitelt der Auftraggeber ein Aufmaß des Auftragnehmers oder erfüllt er eine vertraglich übernommene Pflicht zur Aufmaßerstellung nicht, muss der Auftragnehmer kein Aufmaß vorlegen, um eine prüfbare Abrechnung zu ermöglichen. Der BGH stellt klar, dass der Auftragnehmer seine Abrechnungspflichten auch dadurch erfüllen kann, dass er alle ihm zur Verfügung stehenden Nachweise vorlegt und so nachvollziehbare Rückschlüsse auf seine Leistung ermöglicht.

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