Baurecht

Das selbstständige Beweisverfahren endet, wenn es eben endet.

21.09.2023

Der Bundesgerichtshof (BGH) gibt seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich auf: Das selbstständige Beweisverfahren endet für alle be­han­del­ten Män­gel ein­heit­lich. Die Hemmungswirkung für mehrere unterschiedliche Mängel endet damit nicht mehr individuell.

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Der Bundesgerichtshof (BGH) gibt seine frühere Rechtsprechung ausdrücklich auf: Das selbstständige Beweisverfahren endet für alle be­han­del­ten Män­gel ein­heit­lich. Die Hemmungswirkung für mehrere unterschiedliche Mängel endet damit nicht mehr individuell.

Was ist Anlass dieser Entscheidung gewesen?

In einem selbstständigen Beweisverfahren waren mehrere Baumängel geltend gemacht worden. Während die Beweisaufnahme über einen Mangel relativ früh abgeschlossen worden war, zog sich diese wegen der weiteren Mängel hin. Dies kann Auswirkung auf die Verjährung haben: Denn nach bisheriger Rechtsprechung des BGH endete in einem selbstständigen Beweisaufnahme die Hemmungswirkung für die geltend gemachten Mängel jeweils individuell, je nach Beendigung der Beweisaufnahme über den jeweiligen Mangel im laufenden Verfahren (zuzüglich der Karenz von 6 Monaten, § 204 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)).

Diese Konstellation lag in einem Streit über Baumängel dem Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart (Urt. v. 30.11.2021, 10 U 58/21) zur Entscheidung vor, das – worauf es ausdrücklich hinwies – nicht der herrschenden Meinung gefolgt ist: Es war davon ausgegangen, dass die Verjährung für eine Forderung wegen eines bestimmten Mangels, der neben anderen Mängeln Gegenstand eines selbstständigen Beweisverfahrens gewesen war, bis zum Abschluss des gesamten Beweisverfahrens gehemmt war. Die Hemmung der Verjährung habe einheitlich für alle begutachteten Mängel geendet – auch wenn die Untersuchung der betreffenden Risse in einem Bauelement schon seit Jahren abgeschlossen gewesen sei.

Die meisten Oberlandesgerichte waren aufgrund einer Entscheidung des BGH (Urt. v. 03.12.1992, VII ZR 86/92) dagegen davon ausgegangen, dass die Verjährungsfrist jeweils mit dem Ende der Beweisaufnahme für jeden einzelnen Mangel wieder laufe – auch wenn die Begutachtung weiterer Mängel noch andauere.

Der für das Werkvertragsrecht zuständige VII. Zivilsenat des BGH wendet sich aber von seiner früheren Rechtsprechung ab und hat die Ansicht des OLG Stuttgart bestätigt (Urt. v. 22.06.2023, VII ZR 881/21).

Die Karlsruher Richter stellen für das Ende der Hemmung jetzt einheitlich auf den Abschluss des selbstständigen Beweisverfahrens ab. Die Rechtssicherheit gebiete es, bei der Auslegung von Verjährungsvorschriften eng am Wortlaut des Gesetzes zu bleiben.

Wenn in § 204 Abs. 2 S. 1 BGB stehe, dass die Hemmung sechs Monate nach „Beendigung des eingeleiteten Verfahrens“ endet, so der BGH, müsse das selbstständige Beweisverfahren insgesamt sachlich abgeschlossen sein. Dazu müssten die in dem Beweisbeschluss nach § 490 Abs. 2 Zivilprozessordnung (ZPO) durch das Gericht gestellten Fragen insgesamt abgearbeitet worden sein.

Der VII. Zivilsenat weist ferner darauf hin, dass es einem geordneten und zügigen Abschluss des Rechtsstreits nicht dienlich wäre, wenn die Parteien gezwungen wären, Ansprüche wegen einzelner Mängel vorab gesondert einzuklagen, um deren Verjährung zu vermeiden. Zumal sie später gegebenenfalls – nach Abschluss weiterer Gutachten zu anderen Mängeln – die restlichen Forderungen dann über eine Klageerweiterung dem zuerst gestarteten Klageverfahren hinzufügen würden.

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