Kartellrecht

Neue Chancen zur Bündelung von Kartellschadensersatzansprüchen

15.09.2025

Die Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen scheitert oft daran, dass die Schäden bei einzelnen Unternehmen zu gering sind, um das finanzielle Risiko einer Klage zu rechtfertigen.

Bunte Räucherstäbchen in verschiedenen Stapeln.

Hohe Kosten für ökonomische Gutachten und komplexe Prozesse schrecken viele Geschädigte ab – trotz erheblicher Gesamtschäden in Milliardenhöhe. Diese als rationale Apathie bezeichnete Zurückhaltung führt dazu, dass Kartellverstöße für die Schädiger oft folgenlos bleiben. Eine Bündelung der Schadensersatzansprüche mehrerer Geschädigter könnte eine effektive Lösung bieten, scheiterte jedoch bislang häufig an rechtlichen Hürden.

Die aktuelle EuGH-Entscheidung und ihre Bedeutung

In seiner jüngsten Entscheidung zur Bündelung von Schadensersatzansprüchen hat der Europäische Gerichtshof (EuGH) (Urt. v. 28.01.2025, C‑253/23) nun wichtige Weichen gestellt. Der EuGH entschied, dass nationale Vorschriften – konkret das deutsche Rechtsdienstleistungsgesetz (RDG) – nicht dazu führen dürfen, dass eine treuhänderische Abtretung von Kartellschadensersatzansprüchen an spezialisierte Inkassodienstleister generell untersagt werde. Die Zulässigkeit einer solchen Bündelung hänge, so der EuGH, entscheidend davon ab, ob es im nationalen Recht andere wirksame Mechanismen zur kollektiven Durchsetzung gebe oder ob individuelle Verfahren für die Geschädigten tatsächlich praktikabel sind.

Bislang lehnten deutsche Gerichte die treuhänderische Abtretung an Inkassodienstleister regelmäßig mit der Begründung ab, dies verstoße gegen das RDG. Durch das Urteil des EuGH ist diese pauschale Ablehnung nicht mehr möglich. Vielmehr müssen die Gerichte nun konkret prüfen, ob effektiver Rechtsschutz auf anderem Wege möglich wäre. Fehlt es an solchen Alternativen, so steht einer gebündelten Durchsetzung von Kartellschadensersatzansprüchen über Inkassogesellschaften unionsrechtlich nichts mehr entgegen.

Folgen für die Praxis

Die Entscheidung des EuGH zwingt die deutschen Gerichte zu einer differenzierten Prüfung. In der Konsequenz wird es für Unternehmen künftig deutlich einfacher sein, Schadensersatzansprüche gebündelt geltend zu machen, weil es derzeit an vergleichbar effektiven Alternativen fehlt. Besonders für kleinere und mittlere Unternehmen eröffnet sich dadurch die Möglichkeit, sich ohne unverhältnismäßig hohes Kostenrisiko an Schadensersatzklagen zu beteiligen.

Für potenzielle Kläger verbessert sich zudem die Möglichkeit der Prozessfinanzierung erheblich. Gebündelte Ansprüche sind für spezialisierte Prozessfinanzierer deutlich attraktiver, weil sie ein größeres Anspruchsvolumen aufweisen und somit die Prozesskosten besser rechtfertigen können. Zugleich reduziert sich das individuelle Kostenrisiko der beteiligten Unternehmen erheblich.

Fazit und Ausblick

Unternehmen sollten bei Bekanntwerden eines möglichen Kartellverstoßes ihrer Lieferanten frühzeitig tätig werden. Wesentlich ist zunächst, dass potenziell kartellbedingte Schäden sorgfältig dokumentiert und festgehalten werden, beispielsweise durch die Sammlung relevanter Rechnungen, Preislisten und Vertragsunterlagen. Hierdurch wird später die Beweisführung deutlich erleichtert und die Chance auf erfolgreichen Schadensersatz wesentlich verbessert.

Zudem sollte stets geprüft werden, ob eine Prozessfinanzierung möglich und sinnvoll ist. Spezialisten auf diesem Gebiet ermöglichen Unternehmen eine risikofreie Rechtsdurchsetzung, indem sie die Kosten und Risiken gegen eine Erfolgsbeteiligung übernehmen.

Die Entscheidung des EuGH schafft neue rechtliche Klarheit für die Bündelung von Kartellschadensersatzansprüchen. Insbesondere die bislang vielfach abgelehnten Sammelklageinkasso-Modelle könnten nun leichter durchsetzbar sein. Unternehmen sollten diese neue rechtliche Chance nutzen und nicht länger auf die Durchsetzung ihrer Schadensersatzansprüche verzichten.

Es bleibt abzuwarten, wie die deutschen Gerichte diese Vorgaben des EuGH im Detail umsetzen werden. Schon jetzt zeichnet sich jedoch ab, dass die Bündelung von Schadensersatzansprüchen durch spezialisierte Anbieter eine neue Dynamik entfalten wird. Unternehmen, die rechtzeitig und vorbereitet agieren, haben deutlich bessere Chancen, ihre Schäden effektiv ersetzt zu bekommen.

Für eine individuelle Beratung und Unterstützung bei der Prüfung Ihrer Ansprüche sowie zur Auswahl geeigneter rechtlicher Strategien steht Ihnen unsere Kanzlei selbstverständlich jederzeit zur Verfügung.

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