Unternehmensrecht

D&O-Versicherung bei Insolvenz: Unbekannte Risiken für Geschäftsführer?

27.10.2025

Bei der sogenannten „Directors‘ and Officers‘ Liability Insurance“ (D&O Versicherung) handelt es sich um eine Vermögensschadenhaftpflichtversicherung. In der Praxis wird die D&O Versicherung regelmäßig von der Kapitalgesellschaft als Versicherungsnehmerin zugunsten ihrer Organmitglieder, wie Geschäftsführer, Vorständen oder Aufsichtsratsmitgliedern sowie gegebenenfalls weiterer Führungskräfte abgeschlossen.

Zerbrochene Spardose mit ausgestreutem Geld

Abgesichert wird das Risiko von Führungskräften und Organmitgliedern sowohl im Außenverhältnis gegenüber Gläubigern und Geschäftspartnern sowie im Innenverhältnis gegenüber der Gesellschaft aufgrund von Pflichtverletzungen oder Fehlentscheidungen auf Schadensersatz in Anspruch genommen zu werden.

Gerät ein Unternehmen in eine wirtschaftliche Krise, steigt für Geschäftsführer und Vorstände das Risiko, persönlich haftbar gemacht zu werden. Nehmen sie nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung der Gesellschaft Zahlungen für diese vor, obwohl dies nicht der Sorgfalt eines verantwortungsvollen Geschäftsleiters entspricht, sind sie nach § 15b Abs. 4 der Insolvenzordnung (InsO) verpflichtet, diese Beträge zurückzuerstatten.

Lange war in der Rechtsprechung und der rechtswissenschaftlichen Literatur unklar, ob solche Rückforderungen als Schadensersatzansprüche gelten, die von einer D&O‑Versicherung abgedeckt sind. Diese Unsicherheit hat der Bundesgerichtshof (BGH) beseitigt (Urt. v. 18.11.2020, IV ZR 217/19). Er entschied, dass es sich um einen ersatzfähigen Anspruch im Rahmen der D&O‑Versicherung handelt – auch wenn das Urteil noch zur alten Gesetzeslage ergangen ist.

In der Folge haben viele Versicherer ihre Vertragsbedingungen überarbeitet und klare Regelungen aufgenommen, um Missverständnisse in solchen Fällen künftig zu vermeiden.

Eine aktuelle Entscheidung des BGH (Urt. v. 18.12.2024, IV ZR 151/23) dürfte die Versicherer zukünftig ebenfalls dazu veranlassen, ihre Vertragsbedingungen erneut anzupassen.

In der Entscheidung befasst sich der BGH mit der Frage, wie bestimmte Klauseln in D&O‑Versicherungsverträgen auszulegen sind – insbesondere solche, die eine automatische Beendigung des Versicherungsschutzes im Fall einer Insolvenz vorsehen. Im Mittelpunkt steht dabei die rechtliche Wirksamkeit solcher Regelungen und deren Folgen für den Versicherungsschutz von Geschäftsleitern in der Unternehmenskrise.

Sachverhalt

Eine Aktiengesellschaft und ihre ehemaligen Vorstandsmitglieder schlossen mit dem D&O‑Versicherer in den Jahren 2013 bzw. 2014 D&O‑Versicherungen, denen Allgemeine Versicherungsbedingungen (AVB) zugrunde lagen. Die AVB enthielten unter anderem die nachfolgende Klausel:

„Der Versicherungsvertrag endet automatisch mit dem Ablauf der Versicherungsperiode, in welcher die Neubeherrschung, Verschmelzung oder Liquidation wirksam geworden oder in welcher der Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Versicherungsnehmerin gestellt worden ist.“

In dem Fall wurde im Februar 2016 aufgrund eines Eigenantrages der Aktiengesellschaft (Insolvenzschuldnerin) aus November 2015 das Insolvenzverfahren über die Gesellschaft eröffnet. Aus der verbliebenen Insolvenzmasse wurde anschließend noch eine Prämie an den D&O‑Versicherer gezahlt, ehe diese dem Insolvenzverwalter im März 2016 mitteilte, dass der Versicherungsvertrag mit dem Ende des Versicherungsjahres 2015 – also nach Stellung des Insolvenzantrags – automatisch geendet habe.

Im April 2019 machte der Insolvenzverwalter gegenüber den ehemaligen Vorstandsmitgliedern der Insolvenzschuldnerin Ansprüche wegen unzulässiger Zahlungen nach Eintritt der materiellen Insolvenz geltend. Es kam zu einer Einigung: Die früheren Vorstandsmitglieder verpflichteten sich zur Zahlung von rund EUR 870.000 an die Insolvenzmasse. Im Anschluss meldete der Insolvenzverwalter den Versicherungsfall bei dem D&O-Versicherer, der jedoch jegliche Leistung unter Berufung auf die AVB verweigerte, da der Vertrag automatisch mit der Insolvenzantragstellung beendet worden sei und somit kein Versicherungsschutz bestanden habe.

Der Insolvenzverwalter der zahlungsunfähigen Aktiengesellschaft nahm daraufhin den D&O‑Versicherer klageweise aus abgetretenem Recht aus der von der Insolvenzschuldnerin und einem früheren Vorstand unterhaltenen D&O‑Versicherung in Anspruch.

Entscheidung

Nach Auffassung des IV. Zivilsenats des BGH ist eine Klausel in den AVB einer D&O-Versicherung, die vorsieht, dass der Vertrag automatisch mit dem Ende des Versicherungsjahres endet, in dem ein Insolvenzantrag gestellt wurde, unwirksam. Der Senat sieht darin eine unangemessene Benachteiligung des Versicherungsnehmers im Sinne des § 307 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).

Die Klausel widerspreche grundlegenden rechtlichen Prinzipien des Versicherungsvertragsgesetzes (VVG), insbesondere § 11 Abs. 1 und 3. Dort ist geregelt, dass eine ordentliche Kündigung durch den Versicherer grundsätzlich nur mit einer Mindestfrist von einem Monat zulässig ist. Diese Frist soll dem Versicherungsnehmer ausreichend Zeit geben, um auf das Vertragsende zu reagieren – etwa, indem er sich um einen neuen Versicherungsschutz bemüht. Diese Schutzregelung ist halb zwingend, das heißt: Von ihr darf zwar abgewichen werden, nicht aber zulasten des Versicherungsnehmers.

Die automatische Beendigung der Versicherung im Fall der Insolvenz – ohne jede Kündigungsfrist – steht nach Ansicht des Gerichts im klaren Widerspruch zu diesem gesetzlichen Schutzgedanken. Sie würde den Versicherungsnehmer abrupt und ohne Vorwarnung aus dem Vertrag drängen, was mit dem vom Gesetzgeber beabsichtigten Interessenausgleich nicht zu vereinbaren sei.

Fazit

Die aktuelle Entscheidung des BGH verdeutlicht die rechtliche Relevanz der D&O‑Versicherung im Unternehmenskontext und schafft dabei mehr Rechtssicherheit für Geschäftsführer, Vorstände und Aufsichtsratsmitglieder, indem sie eine einseitige Beendigung des Versicherungsschutzes im Fall der Insolvenz für unwirksam erklärt. Insbesondere in Krisensituationen kann die D&O‑Versicherung eine zentrale Rolle beim Schutz von persönlicher Haftung des Geschäftsleiters spielen – etwa bei Rückforderungen nach § 15b InsO.

Führung erfordert Mut – auch und gerade in schwierigen Phasen. Wer weiß, dass er bei Pflichtverletzungen und Fehlentscheidungen nicht ungeschützt dasteht, trifft eher notwendige unternehmerische Entscheidungen.

Zugleich bleibt jedoch eine umfassende rechtliche Beratung unerlässlich, gerade in Unternehmenskrisen. Nur sie gewährleistet eine fundierte Bewertung der Haftungslage und die richtige Einordnung versicherungsrechtlicher, gesellschaftsrechtlicher und insolvenzrechtlicher Regelungen. Eine sorgfältige Abstimmung von Versicherungsschutz und rechtlicher Strategie ist entscheidend, um Handlungsfähigkeit und Verantwortungsbewusstsein miteinander zu verbinden.

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