Alter Mann am Meer mit Fischdose.

Der Mann mit der Mütze

24.06.2025

Die Fallakte roch nach Salz und Meer. Natürlich war das unmöglich. Und doch – wer sie in die Hand nahm, spürte sofort: Diese Seiten führten nicht nur in einen neuen Fall, sondern hinaus auf See. Auf das Deck eines rostigen Kutters, gegen den der Wind peitscht, während irgendwo unter der Reling ein alter Seemann steht. Bart, Mütze, Pullover. Der Blick fest auf den Horizont gerichtet.

Doch dieser Seemann war kein Mensch. Er war eine Werbefigur. Eine Inszenierung. Und genau das machte ihn gefährlich.

Denn Spieker & Jaeger wusste: Es ging nicht um ein Gesicht. Es ging um eine Marke.

Die Kanzlei war beauftragt worden, den Lebensmittelhersteller Appel zu verteidigen. Die Gegenseite: Iglo, vertreten durch eine Markenrechtskanzlei in – wo sonst – Bayern. Der Vorwurf: Appel verwende in seiner Werbung eine Figur, die dem bekannten Käpt’n Iglo zum Verwechseln ähnlich sehe. Eine bärtige, sympathische Seemannsfigur – zu nah dran, zu vertraut, zu riskant.
Verwechslungsgefahr beim Publikum, lautete der Vorwurf. Eine rechtliche Grenzüberschreitung.

Spieker & Jaeger nahm den Fall an – und begann mit dem, was sie am besten konnten: die Wahrheit hinter dem Bild freilegen.

Zunächst sichtete das Team sämtliches Werbematerial: Packungen, Spots, Printanzeigen. Die Appel-Figur war deutlich anders inszeniert. Weniger ein freundlicher Geschichtenerzähler wie der Käpt’n von Iglo, sondern ein wortkarger, kantiger Typ – eher einer, der schweigend Netze flickt, als lachend Fischstäbchen serviert.

Doch das allein war nicht genug. Denn im Juristischen zählt nicht nur die Gestaltung, sondern die Wirkung beim Verbraucher. Besteht bei flüchtiger Betrachtung eine Gefahr der Verwechslung? Und würden Verbraucher womöglich ein Produkt von Appel für eines von Iglo halten?

Spieker & Jaeger beschloss, dem Eindruck harte Fakten entgegenzusetzen. Die Kanzlei suchte in Supermärkten und Online-Shops. Mit Verpackungsabbildungen testete man intern, ob Menschen die beiden Figuren tatsächlich miteinander verwechselten.
Das Ergebnis: Klare Trennung.

Zusätzlich legte die Kanzlei eine Recherche zur Werbefigur vor, das die Entstehung und Vielfalt maritimer Archetypen in der Werbung dokumentierte. Der alte Seemann sei ein kulturelles Symbol – nicht exklusiv besetzbar.

„Man kann den Bart nicht schützen, die Mütze nicht monopolisieren und das Meer nicht abmahnen“, schrieb Spieker & Jaeger in einem ihrer Schriftsätze.

Vor dem Landgericht München verteidigte die Kanzlei ihren Mandanten ruhig und präzise. Keine Provokation, kein Showeffekt – nur ein glasklarer Fokus auf die entscheidende Frage: Ist die Appel-Figur eigenständig genug? Kein Showeffekt? Naja, nicht ganz. Dass der Anwalt von Appel im Gerichtssaal mit grauem Bart auftrat, war dann doch kein Zufall.

Und dann: Klage abgewiesen. Aber der Käpt’n Iglo wollte nicht aufgeben. Seebär halt. Es wurde Berufung zum Oberlandesgericht München eingelegt.
Die Gegenseite argumentierte leidenschaftlich – mit Jahrzehnten Markenbildung, Werbeerinnerung, Kindheitserinnerung. Aber Spieker & Jaeger blieb bei den Fakten. Die Unterschiede in Haltung, Ton und Stil waren zu deutlich.

Dann kam das Urteil.

An einem windstillen Nachmittag ging es ein. Der Faxausdruck lag noch warm auf dem Tisch, als die Entscheidung feststand:
Die Berufung wurde zurückgewiesen.
Keine Irreführung. Keine Verwechslungsgefahr.
Die Appel-Figur darf bleiben.

Und diesmal herrschte Euphorie. Kein stilles Nicken, keine zurückhaltende Zufriedenheit – sondern echter Jubel. In den Fluren wurde gelacht, Hände wurden geschüttelt, der Fall wanderte im internen Newsletter sofort in die Kategorie „Meilenstein“. Denn dieser Sieg war mehr als ein juristischer Erfolg – er war ein Statement: Bekanntheit kann helfen, aber darf nicht ersticken. Kreative Freiheit braucht Raum, auch im Wettbewerb. Auch auf offener See.

Und irgendwo, in einem Kühlregal an der Nordseeküste, blickte ein alter Seemann vom Etikett – nicht als Kopie, sondern als Original.

Diese Story basiert auf einem echten Urteil, wurde aber dramaturgisch verändert.

Den dazugehörigen Beitrag mit mehr Informationen finden Sie hier:

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