Neue Chancen für Einhörner? – Zukunftsfinanzierungsgesetz in Kraft getreten

Am 15.12.2023 ist das Zukunftsfinanzierungsgesetz (ZuFinG) in Kraft getreten. Motiv bzw. Ziel des Gesetzesvorhabens war die Modernisierung des Finanzplatzes Deutschland, die Steigerung der Attraktivität des deutschen Kapitalmarkts, insbesondere gegenüber ausländischer Konkurrenz, und die verbesserte Zugänglichkeit von jungen wachstumsstarken und kapitalmarkttauglichen Unternehmen für Kleinanleger. Neben kapitalmarktrelevanten Neuerungen bringt das ZuFinG einige Änderungen, die auch für nichtbörsennotierte Unternehmen durchaus von Bedeutung sein können. Ob mit dem ZuFinG der große Wurf gelungen ist, um den Standort Deutschland wettbewerbsfähiger zu machen und – entsprechend der eigenen Zielsetzung – den Bürokratieabbau zu fördern, bleibt in der Praxis abzuwarten. Die folgenden wesentlichen Neuerungen des ZuFinG seien hier in aller Kürze dargestellt:  

Einführung einer sog. Börsenmantelaktiengesellschaft (BMAG)

Als Alternative zu klassischen Formen der Wachstumsfinanzierung, insbesondere durch Private Equity, werden für junge Wachstumsunternehmen seit einigen Jahren vereinfachte Börsengänge (IPOs) durch Verwendung einer börsennotierten Zweckgesellschaft (special purpose acquisition company (SPAC)), die im weiteren Verlauf nach eigener Börsenzulassung ein nichtbörsennotiertes Wachstumsunternehmen im Wege der sogenannten Zieltransaktion erwirbt, durchgeführt. Die Zweckgesellschaft sammelt vor der Zieltransaktion bei ihrem Börsengang Kapital von Investoren, Sponsoren und Kleinanlegern ein, wobei den Anlegern zu diesem Zeitpunkt regelmäßig lediglich der Zeitrahmen, der Markt, aus dem eine Zielgesellschaft akquiriert werden soll (z. B. Umwelttechnologie, FinTech), und das voraussichtliche Investitionsvolumen bekannt sind. Treiber der Entwicklung zu den SPAC-basierten Börsengängen waren insbesondere die Märkte in USA, China, Indien und Israel, wohingegen die Entwicklung in Europa noch zurückblieb. Gegenüber der an den internationalen Kapitalmärkten insoweit herausgebildeten best practice weist die „klassische“ Aktiengesellschaft einige Nachteile und Hindernisse auf, die durch das ZuFinG behoben bzw. abgemildert werden sollen:

  • Die flexibleren Regeln für eine BMAG sind anwendbar, wenn der Unternehmensgegenstand auf die Vorbereitungen und den Abschluss der Zieltransaktion innerhalb einer in der Satzung zu bestimmenden Frist zwischen 24 und 36 Monaten, beginnend mit dem Tag der Zulassung der Börsennotierung der Aktien der BMAG am regulierten Markt, festgelegt ist.
  • Anlässlich der Gründung der BMAG einzuzahlende Einlagen und Aufgelder werden auf ein Treuhandkonto eingezahlt und dort bis zur Durchführung der Zieltransaktion verwaltet. 5 % des IPO-Erlöses dürfen zur Deckung laufender Kosten zurückbehalten werden.
  • Die Entscheidung über die Zieltransaktion bedarf der Zustimmung der Hauptversammlung, wobei das Stimmrecht der Initiatoren (Gründer, Vorstände) bei der Beschlussfassung ausgeschlossen ist.
  • Aktionäre, die gegen den – zwingend in virtueller Hauptversammlung zu fassenden – Beschluss über die Zieltransaktion Widerspruch erklärt haben, können innerhalb von zwei Monaten die Übertragung ihrer Aktien auf die Gesellschaft gegen Rückzahlung der Einlagen und Aufgelder verlangen (sogenanntes Andienungsrecht). Der BMAG ist hierzu der Rückerwerb eigener angedienter Aktien in Abweichung von allgemeinen Regeln bis 30 % des Grundkapitals gestattet.
  • Scheitert die Zieltransaktion, kann das Vermögen der BMAG abweichend vom sonst geltenden Sperrjahr im Falle der Liquidation einer Aktiengesellschaft bereits nach zwei Monaten an die Anleger (zurück-)verteilt werden.
  • Die Zieltransaktion ist anlässlich der Beschlussfassung der Hauptversammlung in einem sogenannten Zieltransaktionsbericht zu erläutern, insbesondere im Hinblick auf die Angemessenheit der der Zielgesellschaft gewährten Gegenleistung und zur Beachtung der Auswahlkriterien des BMAG‑Prospekts. Eine Prüfung durch einen Sachverständigen, wie z. B. im Umwandlungsrecht, ist nach dem Gesetz nicht vorgesehen, auch ein Börsenzulassungsprospekt entfällt.

Befristete Mehrstimmrechte

Das noch im Jahre 1998 eingeführte Verbot von Mehrstimmrechten ist aufgehoben. Nunmehr können bei Aktiengesellschaften, gleich ob es sich um KMU, Wachstumsunternehmen oder börsennotierte Gesellschaften handelt, grundsätzlich Namensaktien mit Mehrstimmrechten ausgegeben werden. Damit wird ein Mittel zur Sicherung von Mehrheitsmacht für Gründer-Aktionäre, aber auch in anderen Konstellationen wie z. B. Familien-Unternehmen, geschaffen. Einige Besonderheiten sind jedoch zu beachten: Die Einführung von Mehrstimmrechtsaktien bedarf der Einstimmigkeit. Mehrstimmrechte dürfen höchstens das zehnfache des regulären Stimmrechts betragen. Bei börsennotierten Gesellschaften erlischt das Mehrstimmrecht bei Übertragung der Aktie, auch im Falle des Übergangs von Todes wegen. Unabhängig von der Übertragung erlischt das Mehrstimmrecht zehn Jahre nach Börsennotierung der Gesellschaft. Das Mehrstimmrecht erstreckt sich nicht auf die Bestellung des Abschlussprüfers und die Überprüfung von Schadensersatzansprüchen im Rahmen einer Sonderprüfung. Allein über das Mehrstimmrecht kann zudem keine gesicherte Stimmenmehrheit für satzungsändernde Beschlüsse, z. B. Kapitalerhöhungen, abgesichert werden. Das insoweit geltende (zusätzliche) Erfordernis der Kapitalmehrheit (§ 179 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG)) bleibt unberührt.

Erleichterungen für Kapitalerhöhungen

Ferner wurde der Anwendungsbereich des erleichterten Bezugsrechtsausschlusses ausgeweitet, um Kapitalerhöhungen für frisches Eigenkapital mit höherer Rechtssicherheit und verstärktem Schutz gegen Angriffe der vom Bezugsrecht ausgeschlossenen Alt-Aktionäre durchführen zu können. Nunmehr ist der Ausschluss des Bezugsrechts ausdrücklich stets dann zulässig, wenn die Kapitalerhöhung gegen Bareinlagen 20 % (bisher: 10 %) des Grundkapitals nicht übersteigt und der Ausgabebetrag den Börsenpreis nicht wesentlich unterschreitet. Die Anhebung des Grenzwerts gilt auch bei der praktisch bedeutsamen Schaffung und Ausnutzung genehmigten Kapitals.

Zusätzlich wurden die zulässigen Volumina für sogenanntes bedingtes Kapital angehoben. Hervorzuheben ist dabei die Anhebung des möglichen Nennbetrags für bedingte Kapitalia zur Bedienung von Bezugsrechten auf neue Aktien an Arbeitnehmer und Mitglieder der Geschäftsführung der Gesellschaft im Rahmen von sogenannten Mitarbeiter-Optionsprogrammen von 10 % auf 20 %. Hierdurch kann die Attraktivität von Wachstumsunternehmen für Mitarbeiter im Sinne einer zusätzlichen Incentivierung durch Teilhabe am unternehmerischen Erfolg gesteigert werden. Aktienoptionen für Mitglieder des Aufsichtsrats bleiben jedoch weiterhin unzulässig.

Nach bisherigem Recht konnten Aktionäre einen Beschluss über eine Kapitalerhöhung mit der Begründung anfechten und ihn dadurch im Erfolgsfall der Klage beseitigen (kassieren), dass der Ausgabebetrag für die ausgegebenen jungen Aktien unangemessen niedrig war. Damit war eine ordentliche Kapitalerhöhung in der Praxis mit erheblichen Risiken behaftet, was regelmäßig zu einem Ausweichen auf die Ausnutzung genehmigten Kapitals geführt hat. Das ZuFinG will diese Rechtsunsicherheiten ausräumen, indem nun eine Anfechtung des Kapitalerhöhungsbeschlusses nicht mehr auf einen vermeintlich unangemessen niedrigen Ausgabebetrag gestützt werden kann, sondern der Aktionär grundsätzlich auf eine im Spruchverfahren zu erstreitende bare Ausgleichszahlung verwiesen ist (Kompensation statt Kassation). Statt einer baren Ausgleichszahlung kann die Gesellschaft, sofern dies im Kapitalerhöhungsbeschluss vorbehalten wird, zusätzliche Aktien der Gesellschaft gewähren. Die insoweit notwendige Kapitalerhöhung kann unter erleichterten Voraussetzungen als Sachkapitalerhöhung (Einlage des Anspruchs des Aktionärs auf Ausgleichszahlung in die Gesellschaft) durchgeführt werden. Zur Vermeidung von Bewertungsschwierigkeiten bei der Bemessung eines angemessenen Ausgabepreises ist nach neuem Recht, entsprechend einer bereits seit der Entscheidung DAT/Altana (Bundesverfassungsgericht (BVerfG), B. v. 27.04.1999, 1 BvR 1613/94) aus dem Jahr 1999 praktizierten Judikatur, bei der Bewertung auf den Börsenkurs der Aktie abzustellen.

Steuerentlastungen für Mitarbeiter-Beteiligungen

Der Steuerfreibetrag für Mitarbeiterbeteiligungen wurde zum 01.01.2024 von EUR 1.400 auf EUR 2.000 angehoben. Des Weiteren wurden die Anwendungsvoraussetzungen für die aufgeschobene Besteuerung des geldwerten Vorteils aus Mitarbeiterbeteiligungen im Interesse der lohnsteuerpflichtigen Beschäftigten angepasst und somit der Anwendungsbereich der aufgeschobenen Besteuerung ausgeweitet. Die Besteuerung des geldwerten Vorteils erfolgt nun bei entgeltlicher oder unentgeltlicher Übertragung der Vermögensbeteiligung im Falle der Beendigung des Dienstverhältnisses zum Arbeitgeber, wobei insoweit nur die tatsächlich an den Arbeitnehmer gezahlte Vergütung und nicht mehr der Verkehrswert maßgeblich ist, oder spätestens nach Ablauf von 15 (bislang: 12) Jahren nach Erwerb der Mitarbeiterbeteiligung.