Erschwerte Start-up-Finanzierung durch Formbedürftigkeit von Wandeldarlehen

Gerade weil sie so einfach und unkompliziert zu vereinbaren sind, erfreuen sich Wandeldarlehen im Bereich Venture Capital/Start-up-Finanzierung großer Beliebtheit. Insbesondere als Brückenfinanzierung bis zur nächsten Finanzierungsrunde stellen Wandeldarlehen bislang einen absoluten Standardfall der Start-up-Praxis dar. Ein aktuelles Urteil des Oberlandesgerichts (OLG) Zweibrücken (Urt. v. 17.05.2022, 8 U 30/19; noch nicht rechtskräftig) hat die Venture Capital-Szene nunmehr in Aufruhr versetzt.

Hintergrund

Das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) kennt zahlreiche strenge Formvorschriften. So bedarf schon die Errichtung der GmbH gemäß § 2 Abs. 1 Satz 1 GmbHG der notariellen Form. Eine GmbH-Gründung ohne Notar ist daher nicht möglich. Ebenso bedarf auch die Übertragung von Geschäftsanteilen an einer GmbH gemäß § 15 GmbHG eines in notarieller Form geschlossenen Vertrages. Dies gilt sowohl für das dingliche Rechtsgeschäft, die Abtretung, als auch für das schuldrechtliche Grundgeschäft, mit dem die Verpflichtung eines Gesellschafters zur Abtretung eines Geschäftsanteils begründet wird.

Weitere Formvorschriften finden sich in den §§ 53 ff. GmbHG. So muss ein Gesellschafterbeschluss, mit dem der Gesellschaftsvertrag der GmbH geändert wird, gemäß § 53 Abs. 2 GmbHG notariell beurkundet werden. Für den Fall der Erhöhung des Stammkapitals der GmbH bedarf es zur Übernahme jedes Geschäftsanteils an dem erhöhten Kapital nach § 55 Abs. 1 GmbHG einer notariell aufgenommenen oder beglaubigten Erklärung des Übernehmers. Exakt in diesem Bereich der §§ 53 und 55 GmbHG spielt die Entscheidung des OLG Zweibrücken.

Wandeldarlehensverträge

Ein Wandeldarlehensvertrag zeichnet sich dadurch aus, dass der Darlehensgeber der GmbH ein Darlehen gibt und ihm vertraglich Wandlungsrechte (oder -pflichten) dergestalt zugesichert werden, dass entweder der Darlehensgeber oder der Darlehensnehmer das Recht haben soll, die als Darlehen eingezahlten Mittel später in eine Beteiligung an der GmbH umzuwandeln.

Vereinbart wird dabei in der Regel, dass der Darlehensgeber bei Ausübung des Wandlungsrechts im Wege einer Kapitalerhöhung neu geschaffene Geschäftsanteile übernimmt. Zu dieser Übernahme wird der Darlehensgeber – je nach vertraglicher Konstruktion – häufig schon im Wandeldarlehensvertrag verpflichtet. Teilweise findet sich im Wandeldarlehensvertrag auch schon die Verpflichtung, den Gesellschaftsvertrag der GmbH zu ändern.

Diese vertraglichen Verpflichtungen laufen damit auf Handlungen hinaus, die ihrerseits nach den §§ 53 und 55 GmbHG formbedürftig sind. Fraglich ist daher, ob diese vorgelagerten Verpflichtungen ebenfalls schon formbedürftig sind.

Die Entscheidung des OLG Zweibrücken

Hierzu vertritt das OLG Zweibrücken die Auffassung, dass es wegen § 55 Abs. 1 GmbHG der notariellen Beglaubigung der Unterschrift des Übernehmers bei der Eingehung einer Übernahmeverpflichtung von Geschäftsanteilen wenigstens dann bedarf, wenn es sich bei dem potentiellen Übernehmer der Geschäftsanteile um eine gesellschaftsfremde Person handelt, also eine Person, die bislang noch nicht Gesellschafter der GmbH ist.

Auch wenn es im OLG Zweibrücken-Fall hierauf nicht mehr ankam, hat das Gericht im Rahmen eines sog. obiter dictum (davon ist die Rede, wenn es sich nicht um tragende Gründe des Urteils handelt) zudem Bedenken im Hinblick auf § 53 Abs. 2 GmbHG angemeldet. Das Gericht deutet an, dass dann, wenn ein Wandeldarlehensvertrag eine verbindliche, satzungsändernde (!) Kapitalerhöhung bei Ausübung der Wandlungsoption vorsieht, die Vorschrift des § 53 Abs. 2 GmbHG einschlägig ist und der gesamte Wandeldarlehensvertrag notariell zu beurkunden ist.

Folgen eines Formverstoßes

Rechtsfolge einer Formunwirksamkeit ist die Unwirksamkeit des Vertrages im Ganzen.

Dies würde bedeuten, dass der Darlehensgeber einen Rückzahlungsanspruch im Hinblick auf sein Darlehen hat, der dann nicht mehr den Beschränkungen, aber auch nicht mehr den Rechten des Wandeldarlehensvertrages unterliegt.

Da im Bereich Venture Capital Wandeldarlehen gerade mit der Absicht gegeben werden, bei einer weiteren Finanzierungsrunde Geschäftsanteile an der dann werthaltigen GmbH zu erhalten, würde sich diese wirtschaftliche Zielsetzung zerschlagen.

Blick in die Zukunft

Das Urteil des OLG Zweibrücken ist noch nicht rechtskräftig. Die Sache befindet sich derzeit zur Überprüfung bei dem Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe, da es sehr gute Argumente gegen die Sichtweise des OLG Zweibrücken gibt. Es bleibt daher abzuwarten, wie sich der BGH positionieren wird.

Für die Praxis bedeutet das Urteil jedoch bis zu einer rechtskräftigen Klärung durch den BGH, dass bei Wandeldarlehensverträgen besonderes Augenmerk auf die konkrete Ausgestaltung zu legen ist. Die ungeprüfte Übernahme teilweise im Internet zu findender Vorlagen könnte zu einem bösen Erwachen führen. Im Sinne eines möglichst rechtssicheren Vorgehens sollten jedenfalls die Unterschriften von Darlehensgebern vorsorglich notariell beglaubigt werden. Die notarielle Beurkundung des gesamten Vertrages, die deutlich umständlicher und auch kostenträchtiger wäre, lässt sich in den meisten Fällen jedoch durch eine geschickte Vertragsgestaltung vermeiden.

  • Kay U. Koeppen, LL.M.

    • Rechtsanwalt
    • Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht
    • Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht