Das Gericht der Europäischen Union (EuGH) schwenkt auf die Linie der deutschen Gerichte ein und ändert seine Rechtsprechung in Fällen, in denen zwei kollidierende Marken nur in beschreibenden Bestandteilen übereinstimmen.
Die Antwort auf die Frage, ob sich zwei Zeichen verwechselbar ähnlich gegenüberstehen, ist angesichts der Umstände, die eine Ähnlichkeit zwischen den Zeichen begründen könn- ten, eine Wissenschaft für sich. Sind die Marken kurz oder lang, bestehen sie nur aus einem oder mehreren Wörtern oder gibt es auch noch weitere, zum Beispiel grafische Bestandteile? Liegen die Übereinstimmungen der Zeichen am Anfang oder am Wortende, wie stark ist die ältere Marke und handelt es sich um reine Fantasiebegriffe oder um Wörter aus dem Sprachschatz, möglicherweise auch dem einer Fremdsprache und wenn ja, auf welche Sprachgewohnheiten der Verkehrskreise ist dabei abzustellen?
Und als wäre es nicht schon kompliziert genug, sind die Regeln, die von den nationalen Markenbehörden und Gerichten der EU-Mitgliedstaaten einerseits und den europäischen Gerichten EuG und EuGH andererseits dazu aufgestellt werden, teilweise sehr unterschiedlich. Und das, obwohl die zugrunde liegenden Rechtsnormen alle auf einer gemeinsamen europäischen Richtlinie beruhen. Eine für Markeninhaber wie Beratende nicht unbedingt erfreuliche Situation.
Eine recht unterschiedliche Auffassung hatten die deutschen und die europäischen Gerichte bislang beispielsweise im Zusammenhang mit der Frage, inwieweit glatt beschreibende Bestandteile von Marken bei der Prüfung einer Verwechslungsgefahr eine Rolle spielen. Während nach deutscher Rechtsprechung beschreibende Bestandteile wie zum Beispiel „Bio“, „Food“ oder „Natur“ bei der Prüfung der Zeichenähnlichkeit eine untergeordnete Rolle spielen, da diese Begriffe in Alleinstellung eben nicht schutzfähig sind und deshalb vorrangig auf die weiteren Bestandteile der sich gegenüberstehenden Zeichen abzustellen ist, tendierten die Entscheidungen der EU-Markenbehörde EUIPO sowie der EU-Gerichte eher dazu, derart beschreibende Bestandteile in die Prüfung der Zeichenähnlichkeit uneingeschränkt einzubeziehen.
Bevor Sie weiterlesen: Was denken Sie? Kann ein Inhaber der für „Haarlotionen“ eingetragenen älteren Marke NATURALIUM erfolgreich gegen die für „Haarpflegemittel“ angemeldete Marke NATURANOVE vorgehen? Eine Ähnlichkeit bzw. Identität der sich gegenüberstehenden Waren als eine Voraussetzung zur Bejahung einer Verwechslungsgefahr ist hier zweifellos gegeben. Aber sind sich auch die Marken selber so ähnlich, dass dadurch eine Gefahr von Verwechslungen bei den angesprochenen Verkehrskreisen bestehen könnte?
Schaut man sich die bisherige Entscheidungspraxis des EUIPO sowie der europäischen Gerichte an, kann diese Frage nur mit ja beantwortet werden. So wurde beispielsweise in der Vergangenheit eine Verwechslungsgefahr bejaht zwischen CLORALEX und CLOROX (für Bleichmittel), trotz der sehr starken Anlehnung an den glatt beschreibenden Begriff „Chlor“. Bejaht wurde eine Verwechslungsgefahr auch zwischen den Zeichen CALCIMATT und CALCILAN (für Nahrungsergänzung), obgleich beide erkennbar an den beschreibenden Begriff „Calcium“ angelehnt sind und auch zwischen NICORONO und NICORETTE (für Nikotinkaugummis) sahen die EU-Gerichte eine Verwechslungsgefahr, obgleich beide Zeichen aus den beschreibenden Anfangssilben von „Nikotin“ gebildet sind (und die Produkte auch darauf Bezug nehmen).
Problematisch ist diese Rechtsprechung insbesondere deshalb, weil auf diesem Weg an sich nicht als Marke schutzfähige Begriffe wie „Nikotin“ oder „Calcium“ eben doch für einzelne Markeninhaber monopolisiert werden. In das Markenregister eingetragen werden die Zeichen ja nur aufgrund (geringfügiger) Abweichungen des beschreibenden Basiswortes. „Nikotin“ wird natürlich nicht als Marke eingetragen, wohl aber „Nicorette“. Gewährt man der eingetragenen Marke „Nicorette“ aber einen so umfassenden Schutz, dass daraus auch die Benutzung des Zeichens „Nicorono“ untersagt werden kann, obwohl die Übereinstimmungen ausschließlich im beschreibenden Bestandteil „Nico“ liegen, kommt dies im Ergebnis eben doch wieder einem Monopol auf „Nikotin“ für nikotinhaltige Kaugummis gleich.
Einige jüngere Entscheidungen auf EU-Ebene geben aber jetzt Anlass zu der Hoffnung, dass mit dieser am Ende doch sehr unbefriedigenden Entscheidungspraxis aufgeräumt wird. Nach den bisherigen Grundsätzen der EU-Gerichte hätte nämlich an sich kein Zweifel daran bestanden, dass zwischen den beiden Marken NATURANOVE einerseits und NATURALIUM andererseits Verwechslungsgefahr anzunehmen ist, obwohl die beiden Zeichen nur in dem beschreibenden Bestandteil „NATURA“ übereinstimmen. Dementsprechend hatte das EU-Markenamt (EUIPO) dem Widerspruch aus NATURALIUM auch noch stattgegeben. Die dagegen von der Inhaberin der Marke NATURANOVE bei dem EuG erhobene Klage hatte aber wider Erwarten Erfolg.
In seiner Entscheidung räumt das EuG ein, dass bei der Prüfung der Ähnlichkeit sich gegenüberstehenden Zeichen nicht unberücksichtigt bleiben darf, dass die ältere Marke aus einem stark beschreibenden und damit nur schwach unterscheidungskräftigen Bestandteil gebildet ist. Da die Zeichenbestandteile „NATURA“ schwach und die anderen Zeichenbestandteile „NOVE“ und „LIUM“ vollkommen unterschiedlich sind, sei die Zeichenähnlichkeit insgesamt gering, so das EuG und verneinte im Ergebnis eine Verwechslungsgefahr.
Als Resümee stellt das Gericht fest, dass es natürlich jedem Markenanmelder freistehe, ein Zeichen anzumelden, welches wegen seiner beschreibenden Bestandteile nur über geringe Unterscheidungskraft verfügt. Dann aber müsse der Markeninhaber auch akzeptieren, dass es anderen Unternehmen gestattet ist, Zeichen zu benutzen, die ebenfalls aus entsprechenden, ähnlichen oder identischen beschreibenden Bestandteilen bestehen.
Im Einklang mit dieser neuen Linie hat das Gericht in einer weiteren Entscheidung eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Zeichen „BIOPLAST“ und „BIOPLAK“ verneint. Nach früherer Rechtsprechung wäre das wohl noch anders ausgegangen. Und auch das EUIPO scheint sich die neue Rechtsprechung zu Herzen genommen zu haben. In einer Widerspruchsentscheidung hat die Markenbehörde eine Ähnlichkeit verneint zwischen der Wortmarke „I-RUN“ einerseits und der Wort-Bild-Marke „L-RUN“ andererseits.
Fazit
Bei der Kreation einer neuen Marke ist die Versuchung groß, sich an beschreibende Begriffe anzulehnen. Der Vorteil liegt schlicht und einfach darin, dass der Betrachter der Marke sofort eine Vorstellung darüber erhält, welche Waren oder Dienstleistungen unter der Marke angeboten werden. Ein sicherlich bekanntes Beispiel dafür ist der auch als Marke eingetragene Name „Lieferando“ für einen Essenslieferdienst. Die Kehrseite der Medaille ist dann allerdings, dass auch Dritte Marken benutzen dürfen, die einen entsprechenden glatt beschreibenden Begriff enthalten, hier: „Liefer“, wenn sie sich nur ansonsten weit genug von dem weiteren Bestandteil „ando“ fernhalten.