Das Oberlandesgericht (OLG) Bremen hatte kürzlich über einen Sachverhalt zu entscheiden, in dem der Vermieter bei der Vertragsgestaltung eines Gewerbemietvertrags über Einzelhandelsflächen in einem exklusiven Neubau in bester Lage rechtlich nicht mit ausreichender Sorgfalt beraten wurde (Urt. v. 09.12.2022, 4 U 20/21). Das OLG Bremen hat in der Berufungsinstanz den Vermieter antragsgemäß zur Zahlung einer Vertragsstrafe i. H. v. EUR 378.000 an den Mieter verurteilt.
Zum Sachverhalt: Zwischen den Parteien besteht ein Mietvertrag über vom Vermieter noch zu errichtende Geschäftsräume. Zur Mietzeit heißt es in dem Gewerbemietvertrag: „Das Mietverhältnis beginnt grundsätzlich mit der Übergabe am 30.08.2017. Die Festmietzeit des Mietvertrages beträgt 30 Jahre, beginnend mit der Übergabe des Mietgegenstandes. … Gerät der Vermieter mit der Übergabe der Mietsache in Verzug, ist für jeden Kalendertag eine Vertragsstrafe i. H. v. EUR 4.500 € verwirkt. Weitergehende Schadensersatzansprüche bleiben unberührt. Die Vertragsstrafe wird auf einen Schadensersatzanspruch angerechnet.“ Die Übergabe der Mieträume erfolgte erst am 22.11.2017, also nahezu drei Monate später als vertraglich vereinbart. Der Mieter fordert vom Vermieter die Zahlung einer Vertragsstrafe in vorgenannter Höhe, die ihm das Gericht in der Berufungsinstanz zuspricht.
Eine Vertragsstrafe ist eine Schadenspauschale, die vom Schuldner an den Vertragspartner bei Überschreitung eines rechtsverbindlich vereinbarten Fertigstellungstermins zu zahlen ist. Es kommt dabei nicht darauf an, ob dem Vertragspartner tatsächlich ein Verzugsschaden durch die Fristüberschreitung entstanden ist. Die Vertragsstrafe bildet also einen sogenannten Mindestschaden ab, der bei Fristüberschreitung unabhängig vom tatsächlichen Schaden zu zahlen ist. Die Klausel zur Vertragsstrafe enthält hier die Besonderheit, dass darin keine Obergrenze vorgesehen ist. Das Prozessverhalten des Vermieters vermittelt den Eindruck, als wenn dieser darauf vertraut hatte, dass ohne eine solche Obergrenze die vertragliche Klausel ohnehin unwirksam ist. Im Rahmen eines Bauvertrages, in dem häufig Vertragsstrafen vereinbart werden, ist eine solche Obergrenze zur Deckelung der Vertragsstrafe eine Wirksamkeitsvoraussetzung, zumindest wenn die Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung durch den Auftraggeber gestellt wurde. Eine solche erforderliche Deckelung in Bauverträgen bezieht sich zum Einen auf die Bezugsgröße und zum Anderen auf die Gesamthöhe. Im Rahmen der Bezugsgröße hält es die Rechtsprechung für unbedenklich, wenn je Werktag eine Vertragsstrafe von 0,3 % des Auftragswerts vereinbart wird (Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 06.12.2012, VII ZR 133/11). Im Rahmen der Deckelung der Gesamthöhe ist es dann erforderlich, die Vertragsstrafe auf bis zu 5 % des Auftragswerts zu begrenzen. Unabhängig von der Anzahl der Werktage, um die sich die Gesamtfertigstellung des Bauvorhabens verzögert, kann der Fachunternehmer gegenüber dem Auftraggeber also maximal eine Vertragsstrafe i. H. v. 5 % seines Vergütungsanspruchs schulden.
Würde man diese Maßstäbe auch bei einem Gewerbemietvertrag zugrunde legen, wäre die vom OLG Bremen zu bewertende Klausel als Allgemeine Geschäftsbedingung unwirksam. Das Gericht hat allerdings unter Bezugnahme auf eine ältere Entscheidung des BGH (Urt. v. 12.03.2003, XII ZR 18/00) darauf hingewiesen, dass eine solche Deckelung eines Vertragsstrafe-Versprechens in einem Gewerbemietvertrag mit dem Sinn und Zweck der Vertragsstrafe nicht vereinbart ist. Dazu vertritt das Gericht die Auffassung, dass das Vertragsstrafe-Versprechen insbesondere die Funktion hat, den Vermieter zur Vertragserfüllung anzuhalten und als Druckmittel gegenüber dem Vermieter zu dienen. Diese Aufgabe kann die Vertragsstrafe – so das Gericht weiter – nur erfüllen, wenn sie eine spürbare Höhe hat. Der Mieter ist insofern besonders schutzwürdig, da mit jeder Verzögerung der Übergabe und Eröffnung des Geschäftslokals nicht nur Umsatz- und Gewinneinbußen verbunden sind, sondern ggfs. auch zusätzliche Lohn-, Waren- und Lagerkosten anfallen, die durch ausbleibenden Umsatz nicht amortisiert werden können. Daher hat das Gericht im konkreten Fall die Vertragsstrafe auch in der vereinbarten Höhe als angemessen angesehen, obwohl diese nahezu 400 % über der Tages-Nettomiete lag.
Der Vermieter hat Nichtzulassungsbeschwerde zum BGH erhoben, die allerdings voraussichtlich erfolglos bleiben wird. Das OLG Bremen weicht mit der Entscheidung nämlich nicht von der bisherigen Rechtsprechung des BGH ab, sodass es in dem Urteil auch aus zutreffenden Gründen keine Revision zugelassen hat.
Statt sich mit viel Aufwand und Verfahrenskosten in den Instanzen zu streiten, hätte der Vermieter bei der Vertragsgestaltung und der Prüfung der Vertragsstrafenklausel größte Sorgfalt einbringen müssen. Stattdessen zahlt er nun Lehrgeld. Es bleibt zu hoffen, dass der Vermieter das Gesamtfertigstellungsdatum aus dem Gewerbemietvertrag durch entsprechende Klauseln in den Bauverträgen mit den Fachunternehmern abgesichert hat, indem in dem Bauvertrag ein gleichlautendes Fertigstellungsdatum enthalten ist. Der Vermieter kann dann versuchen, seinen wirtschaftlichen Schaden durch die Zahlung der Vertragsstrafe an den Mieter gegenüber dem Fachunternehmer als Verzugsschaden durchzusetzen. Ob die Zahlung einer Vertragsstrafe in der hier anfallenden Größenordnung allerdings ein adäquat kausaler Schaden und damit ein erstattungsfähiger Verzugsschaden ist, wird dann sicher wieder Anlass für weitere Streitigkeiten zwischen Vermieter/Auftraggeber und Fachunternehmer sein. Die Lösung bei der Vertragsgestaltung wäre, dass der Vermieter auch mit dem Fachunternehmer für den Fall des Überschreitens des Fertigstellungstermins eine Vertragsstrafe vereinbart, die der Vertragsstrafenklausel aus dem Mietvertrag möglichst nahe kommt.
Der Sachverhalt zeigt einmal mehr, dass bei der Gestaltung von Gewerbemietverträgen eine anwaltliche Begleitung zwingend erforderlich ist, um unliebsame Überraschungen zu vermeiden. Man muss zudem immer damit rechnen, dass sich der Vertragspartner zumindest im Innenverhältnis geschickten Rechtsrat einholt. Unterlässt dies die andere Vertragspartei, agiert diese oft nicht auf Augenhöhe.
Für die Gestaltung von Gewerbemietverträgen zu Immobilien jeglicher Art stehen die im Gewerbemietrecht tätigen Anwälte von SPIEKER & JAEGER gern zur Verfügung.