1. Textform vs. Schriftform
Mit dem „Gesetz zur Verbesserung der zivilrechtlichen Durchsetzung von verbraucherschützenden Vorschriften des Datenschutzrechts“ vom 17.02.2016 hat sich mit Wirkung zum 01.10.2016 die Regelung in § 309 Nr. 13 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) geändert. Diese Gesetzesänderung gewinnt Bedeutung für Standard-Arbeitsverträge, die nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (BAG) als Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB) der Inhaltskontrolle nach den §§ 305 ff. BGB unterliegen. Bei Abschluss eines Arbeitsvertrages handeln Arbeitnehmer als Verbraucher. Damit gelten die Klauselverbote des § 309 BGB, solange sich nicht aus den Besonderheiten des Arbeitsrechts etwas anderes ergibt.
Nach der alten Fassung des § 309 Nr. 13 BGB waren Klauseln unwirksam, die für eine Anzeige oder Erklärung des Arbeitnehmers eine strengere Form als die Schriftform vorsahen. Nach der zum 01.10.2016 in Kraft getretenen Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB darf keine strengere Form als die Textform vereinbart werden. Der Textform genügt unter anderem auch eine E-Mail oder ein (Computer-)Fax.
Diese gesetzliche Neuregelung wirkt sich insbesondere auf die Vereinbarung von Verfallklauseln mit Ausschlussfristen aus, die fast jeder Standard-Arbeitsvertrag enthält. Verfallklauseln sind darauf gerichtet, Ansprüche aus und im Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis zügig klarzustellen. Dazu verlangten sie von den Arbeitsvertragsparteien regelmäßig, ihre (vermeintlichen) Ansprüche innerhalb einer gewissen Frist (mindestens drei Monate) gegenüber der jeweils anderen Partei schriftlich geltend zu machen. Die Ansprüche verfielen, falls die Frist überschritten wird.
Wegen der gesetzlichen Neuregelung darf die Ausschlussklausel für die Geltendmachung eines (vermeintlichen) Anspruchs aus dem Arbeitsverhältnis innerhalb einer gewissen Frist keine strengere Form mehr verlangen, als die Textform. Strengere Anforderungen wie die „Schriftform“ sind unwirksam.
Auf Altverträge, nämlich die vor dem 01.10.2016 abgeschlossenen Arbeitsverträge, wirkt sich die Neuregelung nicht aus. Bereits vereinbarte Verfallklauseln bleiben also zunächst einmal wirksam. Problematisch wird aber jede Änderung eines Altvertrags, weil das BAG in anderem Zusammenhang bereits urteilte, eine – auch nur geringfügige – Änderung des Arbeitsvertrages mache einen „Altvertrag“ in der Regel zu einem „Neuvertrag“. Damit würde nach jeder vereinbarten Änderung das neue Recht auch im Hinblick auf eine unverändert gebliebene Verfallklausel gelten.
Ob das BAG die Grundsätze der zitierten Rechtsprechung auch auf die Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB anwenden wird, steht noch nicht fest. Solange diese Frage in der Rechtsprechung allerdings nicht geklärt ist, sollte vorsorglich im Falle der Änderung eines Arbeitsvertrages nach dem 01.10.2016 gleichzeitig auch die Verfallklausel angepasst werden.
Standard-Arbeitsverträge sind jetzt der neuen Rechtslage anzupassen. Neben der Anpassung der Standardverträge ist sicherzustellen, dass bei jeder Änderung eines „Altvertrags“ auch die Verfallklausel angepasst wird.
Im Übrigen gilt auch schon für die in Alt-Standardarbeitsverträgen vereinbarte Schriftform, dass die Übermittlung der Erklärung per E-Mail oder Telefax genügt, um die vertraglich vereinbarte Schriftform einzuhalten, wenn kein anderer Wille der Parteien ersichtlich ist. Der Gesetzgeber hat daher für den Regelfall mit der Neufassung des § 309 Nr. 13 BGB nur eine klarstellende Neufassung vorgenommen. Zur Gesetzesbegründung führt er aus, viele Verbraucher bzw. Arbeitnehmer wüssten nicht, dass bereits jetzt die Textform die vertraglich vereinbarte Schriftform wahre, weshalb der AGB-Verwender bzw. der Arbeitgeber zukünftig gezwungen werden solle, dies gegenüber der anderen Vertragspartei auch im Vertrag zutreffend darzustellen.
2. Verfallklausel und Mindestentgelt
Am 24.08.2016 hat das BAG ein Urteil erlassen, welches eine weitere Anpassung von Verfallklauseln in Standardarbeitsverträgen erforderlich machen könnte.
Das BAG hatte über einen Fall zu entscheiden, in welchem eine Pflegehilfskraft Gehaltsforderungen gegen ihren Arbeitgeber erhob. Auf das Arbeitsverhältnis war die am 1. August 2010 in Kraft getretene Verordnung über zwingende Arbeitsbedingungen für die Pflegebranche (PflegeArbbV) anwendbar. Dort war unter anderem ein Mindestentgelt geregelt, von welchem nicht abgewichen werden durfte. Der zwischen den Parteien im Jahre 2013 geschlossene Arbeitsvertrag enthielt eine zweistufige Verfallklausel, nach der alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden. Bei Ablehnung oder Nichtäußerung der Gegenpartei binnen zwei Wochen nach der Geltendmachung sollte Verfall eintreten, wenn der Anspruch nicht innerhalb von drei Monaten nach der Ablehnung oder den Fristablauf gerichtlich geltend gemacht wird.
Die Klägerin machte ihren Gehaltsanspruch gegenüber dem beklagten Arbeitgeber zwar zunächst außergerichtlich rechtzeitig geltend, versäumte aber die Frist zur gerichtlichen Geltendmachung. Daraufhin berief sich der Arbeitgeber u. a. darauf, dass der Anspruch jedenfalls verfallen sei. Mit diesem Argument blieb der Arbeitgeber im Ergebnis jedoch in allen Instanzen erfolglos.
Das BAG vertritt die Auffassung, dass eine als AGB vereinbarte Ausschluss- oder Verfallklausel, die das Mindestentgelt nicht ausdrücklich ausnimmt, eine unangemessene Benachteiligung darstellt, weil für den Arbeitnehmer nicht hinreichend klar und verständlich sei, dass das Mindestentgelt von dem Verfall nicht erfasst ist. Es bestünde deswegen die Gefahr, dass ein Arbeitnehmer aufgrund der aus Sicht des BAG intransparenten Verfallklausel das Mindestentgelt nach Fristablauf nicht mehr geltend machen würde. Folge ist, dass die intransparente Ausschlussklausel insgesamt unwirksam ist, da sie gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB verstößt. Dies hat das BAG nun jedenfalls in Bezug auf den Mindestlohn in der Pflegebranche entschieden.
Seit Anfang 2015 gilt nun das Mindestlohngesetz (MiLoG), das in § 3 MiLoG ebenfalls verbietet, den gesetzlichen Mindestlohnanspruch einzuschränken oder auszuschließen. Genau dies tun aber Verfallklauseln, die den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen. Die Frage ist nun, ob alle Verfallklausel unwirksam sind, die den gesetzlichen Mindestlohn nicht ausdrücklich ausnehmen. Diese Frage wird durch das BAG noch geklärt werden müssen. Gleichwohl sind Arbeitgeber gut beraten, die Verfallklausel in ihren Standart-Arbeitsverträgen bereits jetzt auch diesbezüglich zu überarbeiten.