Mit seiner aufsehenerregenden Entscheidung vom 04.08.2015 hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) eine jahrzehntealte arbeitsrechtliche Praxis für unzulässig erklärt.
Worum ging es? Die Klägerin dieses Verfahrens ist die Witwe eines mit 63 Jahren verstorbenen ehemaligen Arbeitnehmers der Arbeitgeberin. Dieser war zum Zeitpunkt der Hochzeit mit der Klägerin 61 Jahre alt. Die Arbeitgeberin hatte für ihre Mitarbeiter eine Versorgungsordnung ins Leben gerufen. Diese begründete für die Mitarbeiter Versorgungsansprüche. Sie begründete außerdem einen Anspruch auf Hinterbliebenenversorgung. Dieser Anspruch setzte allerdings voraus, dass die Ehe vor Vollendung des 60. Lebensjahres des versorgungsberechtigten Arbeitnehmers geschlossen wurde. Unter Berufung auf diese Bestimmung hat die Arbeitgeberin die Zahlung einer Hinterbliebenenrente an die Klägerin verweigert.
Die Klägerin hält die Regelung in der Versorgungsordnung nach § 7 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes für unwirksam, weil ihr verstorbener Ehemann – und damit auch sie – durch die Klausel unmittelbar wegen des Alters benachteiligt werde. In erster und zweiter Instanz hatte die Klägerin mit ihrer Klage keinen Erfolg. Beide Instanzen haben darauf hingewiesen, dass der Arbeitgeber grundsätzlich in seiner Entscheidung frei ist, ob er überhaupt eine Altersversorgung gewähren will. Diese Freiheit erstrecke sich auch darauf, zu entscheiden, für welche Fälle er eine Leistung zusagen will. Der Arbeitgeber sei also nicht verpflichtet, in seiner Versorgungsordnung überhaupt Ansprüche für Hinterbliebene aufzunehmen. Tut er dies gleichwohl, so kann er die Ansprüche der Hinterbliebenen einschränken. Insbesondere hat der Arbeitgeber ein schützenswertes Interesse, sich gegenüber sog. „Versorgungsehen“ abzusichern. Darunter versteht man solche Ehen, die in erster Linie eingegangen werden, um den Partner in den Genuss von Betriebsrentenansprüchen kommen zu lassen.
Das BAG hat die Sache anders als die Vorinstanzen beurteilt. Es hat der Klage der Klägerin stattgegeben. Das BAG hat die Spätehenklausel in der Versorgungsordnung der Arbeitgeberin für rechtsunwirksam angesehen, weil der verstorbene Ehemann durch diese Klausel unmittelbar wegen des Alters benachteiligt werde. Ob diese Überlegung tatsächlich zutrifft, ist sicherlich zweifelhaft. Benachteiligt wird nämlich nicht der verstorbene Arbeitnehmer, sondern der überlebende Ehepartner. Die Entscheidung des BAG ist deshalb in der Fachliteratur zu Recht auf erhebliche Kritik gestoßen. Man muss allerdings mit ihr leben.
Spätehenklauseln, die eine Altersgrenze unterhalb des gesetzlichen Renteneintrittsalters vorsehen, sind rechtsunwirksam. Arbeitgeber sollten ihre Versorgungsordnung mit Rücksicht auf die Entscheidung des BAG vom 04.08.2015 auf Rechtswirksamkeit überprüfen. Wir sind dabei gern behilflich. Arbeitgeber, die eine neue Versorgungsordnung verabschieden wollen, sollten am besten auf die Gewährung einer Witwen-/Witwerrente verzichten. Wer keine Leistungen gewährt, kann auch nicht diskriminieren.