Das Thema ist alt, die Handlungsweisen der Beteiligten geradezu reflexartig immer gleich und dennoch schienen sie eine Zeit lang extrem risikobehaftet: Die Insolvenz am Bau ist und bleibt stets problematisch für alle am Bauvorhaben Beteiligten.
Trat die Insolvenz eines Bauunternehmers während der Bauphase ein bzw. wurde ein Insolvenzantrag gestellt, kündigte der Auftraggeber den Bauvertrag regelmäßig aufgrund dessen fristlos. Zurückgegriffen wurde hierbei auf die Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 1 Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB/B), der die Möglichkeit einer außerordentlichen Kündigung des Bauvertrages z. B. bei Insolvenzantragsstellung bzw. Eintritt der Insolvenz des Bauunternehmers eröffnet.
In letzter Zeit geriet dieses Vorgehen zu einem höchst risikobehafteten Unterfangen: In der Literatur, sodann auch in der Rechtsprechung häuften sich Stimmen, wonach die Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B in Fällen der Insolvenzantragsstellung ggf. unwirksam sein könne. Die Besonderheit dieser Vorschrift im Gegensatz zum ohnehin bestehenden sogenannten „freien“ Kündigungsrecht nach § 649 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) ist, dass die Kündigung eines Bauvertrages im Zusammenhang mit einer Insolvenz für den Auftraggeber keine Schadensersatz- bzw. Vergütungsverpflichtung (unter Abzug ersparter Aufwendungen) nach sich zieht. Problematisiert wurde, dass die VOB/B aber kein Gesetz, sondern eine rein vertragliche Regelung darstellt, die sich daher sowohl an § 119 Insolvenzordnung (InsO), als auch an § 307 BGB messen lassen muss.
§ 119 InsO normiert die Unwirksamkeit solcher Regelungen, die einzelne Rechte eines Insolvenzverwalters beeinträchtigen können. Dies betrifft insbesondere die Beeinträchtigung des Wahlrechts des Insolvenzverwalters, einen noch nicht beendeten Vertrag fortzusetzen und zu erfüllen oder ihn aufzulösen.
Der Bundesgerichtshof (BGH) hatte noch zu Zeiten der Gültigkeit der Konkursordnung die Frage der etwaigen Unwirksamkeit der Regelungen in § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B verneint und dies damit begründet, dass der Insolvenzverwalter ohnehin aufgrund einer „freien“ Kündigung des Auftraggebers nach § 649 BGB in seinem Wahlrecht beschränkt werden könne, was jedenfalls zulässig sei.
Das Oberlandesgericht (OLG) Frankfurt a. M. hatte mit seinem Urteil vom 16.3.2015 die Lawine ins Rollen gebracht und geurteilt, die Kündigungsmöglichkeit im Insolvenzfall nach § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B sei unwirksam und damit für massive Unsicherheit im Markt gesorgt. Das OLG leitete die Unwirksamkeit der Regelung in § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B bereits allein aus § 119 InsO her und hat damit die Unwirksamkeit insolvenzbedingter Lösungsklauseln festgestellt, wovon neben der Vorschrift in § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B auch einzelvertragliche Lösungsklauseln vergleichbaren Inhalts betroffen wären.
Über die gegen dieses Urteil des OLG Frankfurt a. M. eingelegte Revision hat der BGH nunmehr entschieden. Mit seinem am 11.05.2016 veröffentlichten Grundsatzurteil vom 07.04.2016 hat der BGH entschieden, dass die in einen Bauvertrag einbezogenen Regelungen des § 8 Abs. 2 Nr. 1 Fall 2 i.V.m. § 8 Abs. 2 Nr. 2 VOB/B weder gemäß § 134 BGB wegen Verstoßes gegen §§ 103, 119 InsO, noch wegen unangemessener Benachteiligung des Auftragnehmers (§ 307 Abs. 1, 2 BGB) unwirksam sind.
Damit ist eine in Rechtsprechung und Literatur lange umstrittene Frage nunmehr höchstrichterlich geklärt. Folge ist, dass wegen Insolvenzantragsstellung unter Einbeziehung der VOB/B ausgesprochene Kündigungen von Bauverträgen wirksam sind und das Vertragsverhältnis entschädigungsfrei für den Auftraggeber beendet haben. Diese Rechtssprechung dürfte auch auf einzelvertraglich vereinbarte, mit § 8 Abs. 2 Nr. 1 VOB/B vergleichbare Vertragsklauseln Anwendung finden.