Obwohl das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) dem Gesetzgeber im Dezember 2014 eine Karenzzeit von ca. 1 ½ Jahren gewährt hatte (30.06.2016), war es dem Gesetzgeber nicht gelungen, fristgerecht eine Einigung herbeizuführen. Erst als das BVerfG für die Zeit nach dem 30.09.2016 weitere Maßnahmen angedroht hatte, kam erneut Bewegung in das Gesetzgebungsverfahren. Am 21.09.2016 wurde im Vermittlungsausschuss eine Einigung erzielt, schon am 29.09.2016 verabschiedete der Bundestag das neue Gesetz und am 14.10.2016 stimmte der Bundesrat zu. Es handelt sich dabei um die 3. Reform des Erbschaftsteuergesetzes in 20 Jahren (1995 / 1996, 2008 / 2009 und 2016), die jeweils notwendig wurden, weil das BVerfG das bestehende Erbschaftsteuergesetz für verfassungswidrig gehalten hatte. Worum ging es bei der vorliegenden Reform? Obwohl das BVerfG es auch in der Entscheidung im Jahr 2014 grundsätzlich als verfassungsgemäß angesehen hatte, Betriebsvermögen zu 100 % zu verschonen, hat das BVerfG das bestehende Recht in drei Punkten beanstandet, und zwar
- nicht betriebsnotwendiges Vermögen, das ist sog. (schädliches) Verwaltungsvermögen, darf nicht begünstigt werden;
- die Lohnsummenkontrolle muss erweitert werden, d. h. sie darf nicht nur auf Unternehmen mit mehr als 20 Beschäftigten angewendet werden, und
- bei sog. Großerwerben ist eine Bedürfnisprüfung erforderlich.
Wie hat der Gesetzgeber diese Vorgaben des BVerfG umgesetzt?
I. Änderungen beim Verwaltungsvermögen
1. Nach der bisherigen Regelung wurde das gesamte Betriebsvermögen, d. h. also einschließlich des Verwaltungsvermögens, in die Verschonung (85 % oder 100 %) einbezogen, wenn das Verwaltungsvermögen weniger als 50 % des gesamten Betriebsvermögens ausmachte. Es galt also das „alles-oder-nichts-Prinzip“. Dieses Prinzip ist jetzt aufgegeben worden. Das Verwaltungsvermögen muss künftig in vollem Umfang versteuert werden. Dies ist eine deutliche Verschlechterung der Neuregelung. Es muss also künftig das Verwaltungsvermögen aus dem begünstigungsfähigen Vermögen ausgegliedert und auch gesondert bewertet werden. 2. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber Verschärfungen bei der Ermittlung bzw. Definition vorgenommen, was unter das Verwaltungsvermögen fällt. a) Bislang zählten im Wesentlichen zum Verwaltungsvermögen
- fremdvermieteter Grundbesitz und
- Finanzmittel (Wertpapier-Depots, Bankguthaben oberhalb der Freigrenze).
Künftig sind sog. Luxus-Güter von vornherein ebenfalls von der Verschonung ausgenommen (z. B. Segelyachten, Kunstsammlungen, Jagdhäuser usw.). b) Bei den Finanzmitteln war bislang ein Sockelbetrag von 20 % bezogen auf das Betriebsvermögen unschädlich, d. h. in diesem Umfang wurde die Liquidität nicht als schädliches Verwaltungsvermögen angesehen. Diese Grenze ist auf 15 % bezogen auf das Betriebsvermögen herabgesetzt worden. c) Eine Ausnahme ist bei dem fremdvermieteten Grundbesitz eingeführt worden: Wenn und soweit der Grundbesitz zwar an fremde Dritte vermietet wird, dies aber zum Zwecke des Absatzes der eigenen Produkte des Unternehmens, zählt der Grundbesitz nicht zum schädlichen Verwaltungsvermögen (z. B. Grundstück einer Brauerei, welches an einen Gastronom vermietet ist, der einer Bierbezugsverpflichtung unterliegt). d) Eine gravierende Verschärfung gibt es bei Konzernunternehmen. Bislang schlug schädliches Verwaltungsvermögen von Tochtergesellschaften nicht auf die Muttergesellschaft durch (Kaskadeneffekte). Künftig wird das Verwaltungsvermögen von Tochtergesellschaften, Enkelgesellschaften usw. auf die Hauptgesellschaft hochgerechnet, was zu einem erheblichen Anstieg des schädlichen Verwaltungsvermögens führen kann. 3. Um den Missbrauch durch die Gestaltung von Cash-GmbHs und gewerblich geprägten Personengesellschaften zu vermeiden, wurde eine Regelung eingeführt, wonach das Verwaltungsvermögen maximal 90 % des begünstigungsfähigen Betriebsvermögens betragen darf. Wenn diese Grenze überschritten wird, dann sind auch die restlichen bis zu 10 % des Betriebsvermögens von der Verschonung ausgenommen. Eine weitere Verschärfung stellt die Regelung dar, dass die Vollverschonung (100 %) nur dann in Anspruch genommen werden kann, wenn das Verwaltungsvermögen weniger als 20 % des Betriebsvermögens (vor Schuldensaldierung) beträgt. Ansonsten kommt nur die Regelverschonung (85 %) in Betracht.
II. Erweiterung der Lohnsummenkontrolle
Während nach altem Recht alle Unternehmen, die weniger als 20 Mitarbeiter beschäftigt hatten, von der Verpflichtung zur Beibehaltung der Lohnsumme (5 Jahre bzw. 7 Jahre) ausgenommen waren, musste diese Regelung aufgrund der Entscheidung des BverfG geändert werden. Angesichts dessen, dass die ganz überwiegende Zahl der mittelständischen Unternehmen weniger als 20 Beschäftigte hat, war es nach Auffassung des BverfG nicht verfassungskonform, wenn nur eine Minderheit von Unternehmen von der Lohnsummenkontrolle betroffen war. Der Gesetzgeber hat sich nun dazu entschieden, dass nur noch Unternehmen mit weniger als 5 Beschäftigten von der Verpflichtung zur Beibehaltung der Lohnsumme ausgenommen werden, allerdings bei Betrieben mit 5 bis 10 Beschäftigten und 11 bis 15 Beschäftigten abgeschwächte Behaltefristen zur Anwendung kommen und erst oberhalb von 15 Beschäftigten die früheren Behaltefristen (5 Jahre bei der Regelverschonung und 7 Jahre bei der Vollverschonung) zur Anwendung kommen.
III. Neuregelungen zum Umfang der Verschonung
1. Hier hat der Gesetzgeber einen Wertabschlag für qualifizierte Familien-Gesellschaften eingeführt. Wenn der Gesellschaftsvertrag Beschränkungen für die Gesellschafter enthält, und zwar
- eine Entnahme- und Ausschüttungsbeschränkung auf maximal 37,5 % des Gewinns nach Steuern;
- eine Begrenzung der Nachfolgeberechtigung auf nahe Angehörige und Mit-Gesellschafter und
- eine Abfindung unterhalb des gemeinen Werts der Beteiligung gewährt wird,
dann erfolgt ein Wertabschlag auf den Beteiligungswert in dem Umfang, in dem die gesellschaftsrechtliche Abfindung unter dem gemeinen Wert liegt, maximal aber 30 %. Allerdings wird diese Erleichterung ganz erheblich dadurch erschwert, dass für die (endgültige) Inanspruchnahme dieses Wertabschlags eine Nachlauffrist von 20 Jahren eingeführt wird. Wenn also beispielsweise in einem Jahr innerhalb dieser 20 Jahre mehr als 37,5 % der Gewinne nach Steuern ausgeschüttet oder entnommen werden, dann entfällt dieser Wertabschlag. 2. Darüber hinaus hatte der Gesetzgeber die bereits o. g. Verschärfung eingeführt, dass die Vollverschonung nur noch dann in Betracht kommt, wenn das schädliche Verwaltungsvermögen weniger als 20 % des Betriebsvermögens (vor Schuldenkonsolidierung) beträgt.
IV. Bedürfnisprüfung bei Großerwerben
Nach neuem Recht ist die Anwendung der Regelverschonung (85 %) und der Vollverschonung (100 %) beschränkt auf diejenigen Fälle, in denen der Wert des geerbten Gesellschaftsanteils 26 Mio. € nicht überschreitet. Bei Überschreitung des Wertes von 26 Mio. € gibt es zwei Möglichkeiten: 1. Bei dem sog. Abschmelzungsmodell verringert sich der Verschonungsabschlag um jeweils 1 % pro 750.000,00 €, um die der Wert des begünstigten Vermögens den Betrag von 26 Mio. € übersteigt. Dies führt dazu, dass ab einer Wertgrenze von 90 Mio. € keine Verschonung mehr stattfindet. 2. Bei dem sog. Erlass-Modell findet eine Verschonungsbedarfsprüfung statt. Der Erbe / Beschenkte muss dann darlegen und ggf. beweisen, dass ihm kein ausreichendes Vermögen zur Zahlung der Erbschaftsteuer zur Verfügung steht. Dabei muss er jeweils 50 % der nachfolgenden Werte einsetzen, und zwar
- des gleichzeitig mit dem Anteil erworbenen Privatvermögens;
- des nicht begünstigten Verwaltungsvermögens,
- des schon früher vorhandenen Privatvermögens oder Betriebsvermögens (einschließlich Verwaltungsvermögen).
Von besonderer Bedeutung ist, dass einzusetzendes verfügbares Vermögen nicht heißt, dass dieses auch tatsächlich fungibel und liquidierbar ist. Das Gesetz berücksichtigt auch nicht, dass es dann, wenn der Erbe / Beschenkte solches verfügbares Vermögen liquidiert, zu einer Ertragssteuerbelastung kommen kann, die dann zusätzlich zu der Erbschaftsteuer anfällt.
V. Neuregelung der erbschaftsteuerlichen Unternehmensbewertung
Bei der letzten Erbschaftsteuerreform im Jahr 2009 hatte der Gesetzgeber – aufgrund einer Beanstandung des BverfG – eine neue Methode zur Bewertung von Unternehmen eingeführt. Danach galt ein sog. vereinfachtes Ertragswertverfahren, bei dem der Durchschnittsertrag des Unternehmens mit einem Basiszins aus der langfristig erzielbaren Rendite öffentlicher Anleihen und einem fixen Zuschlag von 4,5 % kapitalisiert wurde. So ergab sich bei einem Basiszins von 3,43 % und einem Zuschlag von 4,5 % im Jahr 2011 ein Kapitalisierungsfaktor von 12,61 % (100 : (3,43 + 4,53 %)). Durch den Verfall der Basiszinssätze für langfristig erzielbare Renditen öffentlicher Anleihen kam es dazu, dass sich der Kapitalisierungsfaktor im Jahr 2016 auf 17,857 belief (100 : (1,1 + 4,5)). Ein solcher Kapitalisierungsfaktor lag deutlich über den am freien Markt gezahlten Kapitalisierungsfaktoren. Auf diese Weise waren die erbschaftsteuerlichen Werte von Unternehmen deutlich höher als die am Markt zu erzielenden Verkehrswerte. Der Gesetzgeber hat nun einen pauschalen Kapitalisierungsfaktor von 13,75% festgelegt. Gleichzeitig ist dem Finanzministerium gestattet worden, mit Zustimmung des Bundesrats den Kapitalisierungsfaktor künftig anzupassen, wenn sich die Zinsstrukturdaten verändern. Diese Regelung wird dazu führen, dass die erbschaftsteuerlichen Werte von Unternehmen um ca. 25 % sinken. Auch wenn ein Kapitalisierungsfaktor von 13,75 im Vergleich zu den am Markt bezahlten Preisen immer noch sehr hoch ist, so ist diese Erleichterung sehr zu begrüßen.
VI. Zusammenfassung
Bei einer abschließenden Bewertung ist festzustellen, dass der Gesetzgeber mit der Neufassung des Gesetzes die Forderungen des BverfG so umgesetzt hat, dass eine erneute Verfassungswidrigkeit nicht zu befürchten ist. In der Literatur wird allerdings meines Erachtens zutreffend darauf hingewiesen, dass Verschärfungen in diesem Ausmaß nicht zwingend erforderlich waren. Des Weiteren ist festzustellen, dass die Anwendung des neuen Rechts sehr viel komplexer und schwieriger geworden ist. Dies betrifft sowohl die Finanzverwaltung als insbesondere auch die Steuerbürger und deren Berater, die eine Schenkung bzw. eine Erbfolge auch unter Berücksichtigung der Steuerbelastung planen wollen und müssen.