Das pandemiebedingte Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (GesRuaCOVBekG) enthielt für Vereine, Stiftungen und Parteien in § 5 eine Sonderregelung, wonach digitale Mitgliederversammlungen ohne eine entsprechende Ermächtigung in der Satzung möglich waren und folglich auch wirksame Beschlüsse gefasst werden konnten. Diese Regelung ist zum 31.08.2022 endgültig ausgelaufen. Seit dem 01.09.2022 müssen Mitgliederversammlungen von Vereinen sowie Versammlungen anderer Vereins- und Stiftungsorganen wieder in Präsenz stattfinden, es sei denn die virtuelle Abhaltung findet mit Zustimmung aller Mitglieder statt oder ist in der Satzung ausdrücklich geregelt.
Seit der Corona-Pandemie haben sich jedoch virtuelle und hybride Versammlungen zunehmend etabliert. Dies hat auch der Gesetzgeber erkannt und am 09.02.2023 eine Änderung des § 32 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) beschlossen. Die Gesetzesänderung sieht vor, dass Vereine auch zukünftig virtuelle oder hybride Versammlungen durchführen können, ohne hierfür ihre Satzung entsprechend ändern zu müssen. Gleiches gilt für Sitzungen der Vereins- und Stiftungsvorstände sowie andere Vereins- und Stiftungsorgane. Die Gesetzesänderung ist angesichts der voranschreitenden Digitalisierung auch sinnvoll und kann für eine Stärkung der Mitgliedschaftsrechte sorgen, da auch solche Mitglieder an Versammlungen teilnehmen können, die ansonsten aus terminlichen oder gesundheitlichen Gründen den Veranstaltungsort nicht aufsuchen könnten.
Der neue § 32 BGB sieht vor, dass bei der Berufung der Versammlung durch den Einladenden festgelegt werden kann, dass ein Teil der Mitglieder auch ohne Anwesenheit am Versammlungsort im Wege der elektronischen Kommunikation an der Versammlung teilnehmen kann (hybride Versammlung). Für die Abhaltung einer rein virtuellen Versammlung benötigt man nach neuem Recht hingegen einen Beschluss des betroffenen Organs. Hierfür reicht eine einfache Mehrheit aus. Ein solcher Beschluss ist nicht notwendig, wenn die Satzung bereits eindeutige Regelungen über die Möglichkeit einer virtuellen Sitzung enthält. Soll eine hybride oder virtuelle Versammlung abgehalten werden, muss in der Einladung angegeben werden, wie die Mitglieder ihre Rechte im Wege der elektronischen Kommunikation ausüben können. Unter elektronische Kommunikationsmittel fallen neben Videokonferenztechnik auch andere Kommunikationsmittel, wie Telefon oder Chat.
Während der COVID-19-Pandemie war auch ein sogenanntes Umlaufverfahren möglich. Bei einem Umlaufverfahren werden Beschlüsse außerhalb von Sitzungen im schriftlichen Verfahren gefasst. Viele Vereine und Stiftungen haben insbesondere während der COVID-19-Pandemie hiervon Gebrauch gemacht und von der Regelung profitiert. Der Gesetzgeber hat diese Chance jedoch verstreichen lassen und sich dazu entschieden, die pandemiebedingte Erleichterung nicht in das neue Gesetz aufzunehmen. Demnach müssen weiterhin alle Mitglieder einem schriftlichen Umlaufbeschluss zustimmen (§ 32 Abs. 3 BGB) oder es muss eine entsprechende Satzungsänderung stattfinden.
Der Gesetzgeber hat sich zudem gegen eine Rückwirkung des neuen § 32 BGB zum 01.09.2022 entschieden, welche im ursprünglichen Gesetzesentwurf vorgesehen war. Er hat hierdurch bewusst eine nahtlose Anknüpfung an die pandemiebedingte Erleichterung des § 5 GesRuaCOVBekG verhindert und stattdessen geregelt, dass die Gesetzesänderung einen Tag nach der Verkündung in Kraft treten soll. Organbeschlüsse, die seit dem 01.09.2022 in digitaler Form gefasst wurden, sind demnach nichtig, wenn es keine Ermächtigung in der Satzung gab bzw. nicht alle Mitglieder zugestimmt haben. Diese Beschlüsse müssten also unter Umständen wiederholt werden. Mit Inkrafttreten der Neuregelung ist dies dann auch im Rahmen einer hybriden oder virtuellen Sitzung zulässig.
Die Gesetzesänderung trat am 21.03.2023 in Kraft.