Die Pandemie erfasst immer mehr Lebensbereiche, insbesondere auch das Arbeitsleben, in dem es auch um den Gesundheits- und Infektionsschutz der Beschäftigten geht. Vermehrt befassen sich Gerichte mit Streitigkeiten zwischen Arbeitgebern und Beschäftigten in Abmahn- und Kündigungsfällen, denen einseitige Anordnungen von Arbeitgebern zugrunde liegen, beispielsweise die Verpflichtung zum Tragen von Masken am Arbeitsplatz.
In einer ersten veröffentlichten Entscheidung befasst sich das Arbeitsgericht Siegburg mit der Frage, inwieweit Arbeitgeber Maßnahmen des öffentlichen Gesundheitsschutzes im bestehenden Arbeitsverhältnis einseitig um- und durchsetzen können und inwieweit persönliche Interessen des Arbeitnehmers hinter dem allgemeinen Gesundheitsschutz der anderen Beschäftigten zurückzutreten haben.
Der Entscheidung lag ein Fall der öffentlichen Verwaltung zugrunde. Die beklagte Gemeinde hatte in ihren Räumlichkeiten für Beschäftigte und Besucher das Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung coronabedingt verpflichtend vorgeschrieben. Ein dort beschäftigter Verwaltungsangestellter verweigerte das Tragen einer solchen Maske mit Hinweis auf ein ärztliches Attest, in dem ihm bestätigt wurde, dass er aufgrund einer Erkrankung vom Tragen eines Mund-Nase-Schutzes befreit sei. Nachdem die Gemeinde die Beschäftigung des Mitarbeiters ohne diesen Schutz ablehnte, erhob der Mitarbeiter zur Sicherung seines Entgeltanspruchs Klage und verlangte im einstweiligen Verfügungsverfahren die „ungeschütze“ Beschäftigung.
Das Arbeitsgericht Siegburg wies die Klage ab (Urt. v. 16.12.2020, 4 Ga 18/20). Das Gericht begründet die Entscheidung damit, dass dem Beschäftigungsanspruch des Klägers das ordnungsgemäß ausgeübte Direktionsrecht des Arbeitsgebers gemäß § 106 GewO ebenso entgegenstehe wie dessen aus der allgemeinen Fürsorgepflicht folgende Verpflichtung, die bei ihm beschäftigten Arbeitnehmer zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung pandemiebedingt anzuhalten.
Die Entscheidung des Arbeitsgerichts ist richtig: Die maßgebliche Rechtspflicht für den Arbeitgeber zur Einführung einer solchen Maskenpflicht im Betrieb ergibt sich aus seiner Fürsorgepflicht nach § 618 BGB. Bei § 618 BGB handelt es sich um eine Teilausprägung der allgemeinen arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht, die ihrerseits wiederum Ausprägung der allgemeinen Pflicht jedes Vertragspartners zur Rücksichtnahme aus § 241 Abs. 2 BGB ist. Im Rahmen dieser Fürsorgepflicht ist der Arbeitgeber zu Schutzmaßnahmen gegenüber seinen Arbeitnehmern insgesamt verpflichtet. Die öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften konkretisieren diese Schutzmaßnahmen (§ 3 Abs. 1 ArbSchG). Der Arbeitgeber ist demnach verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes zu treffen, um die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit zu gewährleisten. In der gegenwärtigen Pandemielage bedeutet dies, dass der Arbeitgeber sicherzustellen hat, dass die Arbeitnehmer an ihren Arbeitsplätzen einem nur geringen bis gar keinem Infektionsrisiko ausgesetzt werden. Die aktuellen Verordnungen zum Schutz vor Neuinfizierungen mit dem Coronavirus SARS-CoV-2 („Coronaschutzverordnung“) ordnen eine Maskenpflicht in geschlossenen Räumen, also auch in Büroräumen ausdrücklich an. Entsprechende Vorgaben ergeben sich auch aus den praktischen Handlungsempfehlungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales, die technische, organisatorische und personenbezogene Schutzmaßnahmen aufzeigen. Letztere sehen u.a. vor, dass bei unvermeidbarem Kontakt zu anderen Personen – wie etwa in Fluren, auf der Toilette, im Pausen- oder Druckerraum aber auch in Büros, in denen ein Mindestabstand nicht eingehalten werden kann bzw. die eine nicht ausreichende Grundfläche aufweisen – eine Mund-Nase-Bedeckung getragen werden muss (vgl. SARS-CoV-2-Arbeitsschutzregel, Fassung 20.08.2020, Ziff. 4.1 Abs. 3). Das Weisungsrecht des Arbeitgebers erstreckt sich nach § 106 S. 2 GewO auch auf die Ordnung des Verhaltens des Arbeitnehmers im Betrieb. Somit erstreckt sich das Weisungsrecht auch auf die nach öffentlich-rechtlichen Arbeitsschutzvorschriften notwendigen Schutzmaßnahmen. Der Arbeitgeber kann und muss die Pflicht zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung im Betrieb daher mittels seines Direktionsrechts umsetzen. Arbeitgeber haben nicht nur im Hinblick auf Kundenverkehr, sondern gerade und insbesondere auch im Hinblick auf die bei ihnen beschäftigten Mitarbeiter, ein erhebliches Interesse daran, dass niemand sich in ihren Räumlichkeiten ohne eine Mund-Nase-Bedeckung bzw. ein Gesichtsvisier bewegt.
Das vorgelegte ärztliche Attest hielten die Richter im konkreten Fall aufgrund des nur allgemeinen Hinweises für nicht ausreichend und daher unbeachtlich.
Die Entscheidung weist mit seiner Begründung auch den Weg zur Lösung von Streitigkeiten um Abmahnungen und Kündigungen, wenn Arbeitnehmer die arbeitgeberseitige Anordnung zum Tragen eines Mund-Nase-Schutzes missachten. Eine solche Missachtung des arbeitgeberseitigen Direktionsrechts stellt eine Pflichtverletzung dar, die der Arbeitgeber nicht hinnehmen muss.
Problematisch in diesem Zusammenhang sind allerdings tatsächlich ärztliche Atteste, die, anders als im Fall des Arbeitsgerichts Siegburg, konkrete gesundheitliche Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers beim Tragen einer Maske bestätigen. In diesem Fall könnte eine subjektive Unmöglichkeit der Arbeitsleitung nach § 275 Abs. 3 BGB vorliegen. Von einer solchen kann ausgegangen werden, wenn der Arbeitnehmer zwar potentiell zur Arbeitsleistung imstande wäre, dies jedoch mit einer Verschlechterung seines Gesundheitszustandes einherginge und dem Arbeitnehmer die Leistungserbringung daher unzumutbar ist. Unzumutbarkeit in diesem Sinne liegt nur vor, wenn für den Arbeitnehmer die Leistungserbringung in hohem Maße belastend ist, etwa, wenn er durch die Leistungserbringung Gefahr läuft, in bedeutsamen Rechtsgütern verletzt zu werden. Ob dies vorliegt, wenn dem Arbeitnehmer aus medizinischen Gründen das Tragen der Mund-Nase-Bedeckung versagt ist, ist im jeweiligen Einzelfall und unter Beachtung der ärztlichen Diagnose zu entscheiden. Eine subjektive Unmöglichkeit der Erbringung der Arbeitsleistung kann demnach etwa dann angenommen werden, wenn bereits das kurzfristige Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung jeglicher Art (mithin auch in Gestalt eines Gesichtsschildes) zu einer erheblichen gesundheitlichen Beeinträchtigung führt und die Gewährleistung des Infektionsschutzes nicht auf anderem Wege möglich ist. Da der Arbeitnehmer in diesem Fall seinen Vergütungsanspruch behält und ggf. auch ein Zurückbehaltungsrecht besitzt, sollte der Arbeitgeber sorgfältig prüfen, ob im Einzelfall eine Ausnahme vom Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung in Betracht kommt, möglicherweise auch durch die Zuweisung einer vorübergehenden Beschäftigung im Home-Office. Das gilt umso mehr, als in § 2 Abs. 4 der SARS-CoV-2-Arbeitsschutzverordnung (derzeit) das Recht der Arbeitnehmer geregelt ist, bei Geeignetheit des Arbeitsplatzes im Home-Office beschäftigt zu werden.
Im Ergebnis ist dem Arbeitgeber zu raten, seinen Fürsorgepflichten in der Pandemie aus § 618 BGB nachzukommen und im Rahmen dessen auch eine Verpflichtung zum Tragen einer Mund-Nase-Bedeckung einzuführen und auf die Einhaltung seiner Anordnung zu achten. Da die Ordnung im Betrieb betroffen ist, hat er dabei Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats zu beachten. Im Falle der Vorlage eines ärztlichen Attestes zur Befreiung von der Maskenpflicht am Arbeitsplatz, sollte er dessen Inhalt sorgfältig prüfen und, sofern möglich, eine alternative Beschäftigungsmöglichkeit anbieten.