Nach der gesetzlichen Wertung ist die zivilrechtliche Haftung von Geschäftsführern einer GmbH grundsätzlich auf das Verhältnis zur Gesellschaft begrenzt (§ 43 Abs. 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG)). Außenstehenden Dritten haften Geschäftsführer grundsätzlich nicht persönlich. Vielmehr ist die Außenhaftung für Verbindlichkeiten der Gesellschaft nach § 13 Abs. 2 GmbHG auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt. Das gilt auch für Vergütungsansprüche der bei der GmbH angestellten Arbeitnehmern im Bereich des Mindestlohns.
Zwar umfasst die Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung, die nach § 43 Abs. 1 GmbHG den Geschäftsführern einer GmbH aufgrund ihrer Organstellung obliegt, auch die Verpflichtung, dafür zu sorgen, dass sich die Gesellschaft rechtmäßig verhält und ihren gesetzlichen Verpflichtungen nachkommt (sog. Legalitätspflicht). Diese Pflicht besteht aber grundsätzlich nur der Gesellschaft gegenüber und nicht auch im Verhältnis zu außenstehenden Dritten. § 43 Abs. 1 GmbHG regelt allein die Pflichten des Geschäftsführers aus seinem durch die Bestellung begründeten Rechtsverhältnis zur Gesellschaft. Diese Pflichten dienen nicht dem Zweck, Gläubiger der Gesellschaft vor den Folgen einer sorgfaltswidrigen Geschäftsführung zu schützen. Aus der Regelung in § 43 Abs. 2 GmbHG wird deutlich, dass eine Verletzung der Pflicht zur ordnungsgemäßen Geschäftsführung nur Schadensersatzansprüche der Gesellschaft, nicht hingegen der Gläubiger der Gesellschaft entstehen lässt (Bundesgerichtshof (BGH), Urt. v. 10.07.2012, VI ZR 341/10).
Diese Ansicht vertritt nunmehr auch das Bundesarbeitsgericht (BAG) in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 30.03.2023, 8 AZR 120/22). Der 8. Senat hatte folgenden Fall zu entscheiden:
Der Kläger nahm die Geschäftsführer einer GmbH auf Schadensersatz wegen von der GmbH für Juni 2017 nicht geleisteter Vergütung in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns in Anspruch. Er vertrat die Auffassung, die GmbH hätte ihm für 176 auf den Monat Juni entfallende Arbeitsstunden eine Vergütung mindestens in Höhe des gesetzlichen Mindestlohns von damals EUR 8,84/Stunde zahlen müssen. Hierfür würden die Beklagten aus unerlaubter Handlung gemäß § 823 Abs. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) persönlich haften. Nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 i.V.m. § 20 Mindestlohngesetz (MiLoG) sei nämlich die fahrlässige oder vorsätzliche Nichtzahlung des gesetzlichen Mindestlohns als Ordnungswidrigkeit bußgeldbewehrt. Die Beklagten seien als gesetzliche Vertreter der Schuldnerin nach § 9 Gesetz über Ordnungswidrigkeiten (OWiG) taugliche Täter der Ordnungswidrigkeit; sie hätten den Bußgeldtatbestand auch zumindest fahrlässig verwirklicht. Danach habe er einen „direkten Zahlungsanspruch“ gegen die Beklagten.
Der Kläger hatte beim BAG keinen Erfolg.
Den Geschäftsführer einer GmbH könne im Einzelfall zwar nach § 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG eine bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit treffen, wenn die GmbH ihre Verpflichtung aus § 20 MiLoG verletze, ihren Arbeitnehmern ein Arbeitsentgelt mindestens in Höhe des Mindestlohns nach § 1 Abs. 2 MiLoG zu zahlen. Diese Verantwortlichkeit führe allerdings nicht auch zu einer zivilrechtlichen Durchgriffshaftung eines GmbH-Geschäftsführers auf Schadensersatz wegen unerlaubter Handlung. Diese Haftung setze nämlich, so das BAG zutreffend, als einen besonderen gesetzlichen Haftungsgrund voraus, dass der Täter ein sogenanntes Schutzgesetzim Sinne des § 823 Abs. 2 BGB verletze.
Als Schutzgesetze i.S.d. § 823 Abs. 2 BGB kommen solche gesetzlichen Gebote oder Verbote in Betracht, durch die das geschützte Interesse, die Art seiner Verletzung und der Kreis der geschützten Personen hinreichend klargestellt und bestimmt sind. Eine Rechtsnorm kann nur dann ein Schutzgesetz sein, wenn sie zumindest auch dazu dienen soll, den Einzelnen oder einzelne Personenkreise vor einer Verletzung eines bestimmten Rechtsguts oder eines bestimmten Rechtsinteresses zu schützen. Dafür kommt es nicht auf die Wirkung, sondern auf Inhalt, Zweck und Entstehungsgeschichte des Gesetzes an, also darauf, ob der Gesetzgeber bei Erlass des Gesetzes gerade einen Rechtsschutz, wie er wegen der behaupteten Verletzung in Anspruch genommen wird, zugunsten von Einzelpersonen oder bestimmten Personenkreisen gewollt oder doch mitgewollt hat.
§ 21 Abs. 1 Nr. 9 MiLoG i.V.m. § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG stellen nach Ansicht des BAG keine Schutzgesetze i.S.v. § 823 Abs. 2 BGB zu Gunsten der Arbeitnehmer der GmbH im Verhältnis zu deren Geschäftsführer dar. Der Gesetzgeber habe die Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung des gesetzlichen Mindestlohns durch einen unmittelbaren – nach § 3 MiLoG unabdingbaren – Leistungsanspruch der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gegen den Arbeitgeber nach § 1 Abs. 1 i.V.m. § 20 MiLoG abgesichert. Eine Haftungserweiterung auf die gesetzlichen Vertreter des Arbeitgebers ließe sich aus dem Gesetz nicht herleiten.