Das Landesarbeitsgericht (LAG) Hamburg hat entschieden, dass dem Arbeitnehmer kein Annahmeverzugslohnanspruch zustehe (Urt. v. 13.10.2021, 7 Sa 23/21). Das von der Arbeitgeberin ausgeübte Direktionsrecht in Bezug auf die Anordnung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung sei rechtmäßig gewesen. Die Vorlage eines „Maskenbefreiungsattestes“ schließt das Direktionsrecht des Arbeitgebers grundsätzlich nicht aus. Die Konkretisierung der Arbeitspflicht nach § 106 S. 1 GewO bleibt Sache des Arbeitgebers.
Die Parteien streiten unter anderem über die Zahlung von Annahmeverzugslohn. Der Kläger ist als Finanzberater mit Kundenkontakt in einem Geldinstitut beschäftigt. Im Oktober 2020, zu einer Zeit steigender COVID-19-Zahlen, wurde der Kläger von seinem Vorgesetzten aufgefordert, entsprechend den Vorgaben der Bank eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen. Der Kläger verweigerte dies unter Hinweis auf gesundheitliche Gründe und legte der Beklagten ein ärztliches Attest zur Maskenbefreiung vor. Anschließend regte der Kläger gegenüber der Beklagten seine vorübergehende Beschäftigung in einer Filiale in der unmittelbaren Nähe zu seinem Wohnort an. Dort könne er ein Einzelbüro ohne Kontakt zu Kollegen und Kunden über einen Nebeneingang erreichen und die Sanitäranlagen zu Hause nutzen.
Die Beklagte teilte gegenüber dem Kläger mit, dass ihr derzeit keine Arbeitsplätze zur Verfügung ständen, aus denen sie ihm eine Tätigkeit ohne das Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung ermöglichen könne. Die Bank stellte sodann die Gehaltszahlung ein, da der Kläger keine Arbeitsleistung mehr erbringen konnte.
Der Kläger erhob Klage und beantragte die Zahlung von Annahmeverzugslohn. Die Vorinstanz, das Arbeitsgericht Hamburg (Urt. v. 23.03.2021, 15 Ca 566/20), gab der Klage statt und verurteilte die Bank zur Zahlung des Annahmeverzugslohnes für die Zeit, in der der Kläger nicht gearbeitet hat.
Das LAG Hamburg hat mit dem oben genannten Urteil die Entscheidung der Vorinstanz aufgehoben und führt aus: Der Arbeitgeber kommt grundsätzlich nur dann in Annahmeverzug, wenn der Arbeitnehmer die zu bewirkende Arbeitsleistung auch tatsächlich anbietet.
Die Arbeitgeberin habe zuvor per Direktionsrecht die Arbeitspflicht des Klägers dahingehend konkretisiert, dass der Kläger eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen habe. Der Arbeitgeber kann Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung nach billigem Ermessen näher bestimmen, soweit diese Arbeitsbedingungen durch den Arbeitsvertrag, Bestimmungen einer Betriebsvereinbarung, eines anwendbaren Tarifvertrages oder gesetzliche Vorschriften nicht festgelegt sind (vgl. § 106 S. 1 GewO). Die Anordnung zum Tragen der Mund-Nasen-Bedeckung sei auch vom Direktionsrecht umfasst und aus Gründen des Infektions- und Gesundheitsschutzes angemessen, um den Ausschuss von Aerosolen auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten. Das Interesse des Arbeitgebers, den Ausstoß von Aerosolen durch die Anordnung einer Mund-Nasen-Bedeckung auf dem geringstmöglichen Niveau zu halten, geht dem Interesse des Arbeitnehmers auch dann vor, wenn er aus gesundheitlichen Gründen keine Mund-Nasen-Bedeckung tragen kann.
Der Arbeitgeber gerät grundsätzlich dann in Annahmeverzug, wenn er die ihm durch den Arbeitnehmer ordnungsgemäß angebotene Leistung nicht annimmt. Das setzt jedoch grundsätzlich voraus, dass der Arbeitnehmer die zu bewirkende Arbeitsleistung auch tatsächlich anbietet. Maßgeblich dafür sind die vertraglichen Vereinbarungen bzw. das rechtmäßig ausgeübte Direktionsrecht des Arbeitgebers.
Weist der Arbeitgeber den Arbeitnehmer daher rechtmäßig an, am Arbeitsplatz eine Mund-Nasen-Bedeckung zu tragen und weigert sich der Arbeitnehmer dieser Verpflichtung nachzukommen, so bietet der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung entgegen § 294 BGB nicht so an, wie sie zu bewirken ist.
Die Entscheidung des LAG Hamburg ist zu befürworten. Der Arbeitgeber muss Arbeitnehmer, die sich nach rechtmäßiger Weisung zum Tragen einer Mund-Nasen-Bedeckung weigern ihrer Arbeitsverpflichtung nachzukommen, nicht beschäftigen. Das BAG stellt nochmal ausdrücklich klar, dass die Konkretisierung der Arbeitspflicht Sache des Arbeitgebers ist. Kann der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber aufgrund seines Direktionsrechts konkretisierte Tätigkeit aus in seiner Person liegenden Gründen – wie zum Beispiel gesundheitliche Gründe – nicht mehr ausüben, aber eine andere im Rahmen der vertraglichen Vereinbarung liegende Tätigkeit verrichten, ist dies im Hinblick auf einen etwaigen Annahmeverzugslohn ohne Belang, da der Arbeitnehmer nicht die zu bewirkende Arbeitsleistung angeboten hat. Eine andere Beurteilung würde dazu führen, dass der Arbeitnehmer es in der Hand hielt, den Inhalt der Arbeitsleistung selbst zu konkretisieren. Die Konkretisierung der Arbeitsleistung ist jedoch grundsätzlich Sache des Arbeitgebers.