Die Globalisierung macht auch vor der Rechtsberatung keinen Halt. Viele unserer Mandanten benötigen mittlerweile juristische Expertise im Ausland. Wie aber bei der Vielzahl internationaler Anwaltskanzleien die Kollegen finden, die unsere Mandanten in unserem Sinne vor Ort vertreten? Dank unseres Netzwerks „Interlegal“ lernen wir die Menschen hinter den Namen kennen und schätzen. Und wir wissen, wen wir über die Kurzwahl anrufen können, wenn schnelle Hilfe geboten ist.
Tonga – bei diesem Namen kommen jedem von uns sofort wunderbare Bilder in den Sinn: kilometerlange einsame weiße Strände, türkisblaues Meer, Palmen, Korallenriffe – ja und vielleicht auch der Haka-Tanz. Ein Paradies auf Erden also; für manche auch im juristischen Sinn, denn zwischen dem Südsee-Königreich und Deutschland gibt es kein Rechtshilfeabkommen. „Hier könnt ihr mir gar nichts!“ – dachte sich wohl dementsprechend die Person, die einen unserer Mandanten um eine nicht unbeachtliche Summe Geld betrogen hatte. Nach seiner Flucht ins Inselparadies investierte der Schuldner sodann das unrechtmäßig erworbene Vermögen in ein Hotel vor Ort und ließ es sich gut gehen – mangelnden Geschäftssinn kann man ihm zumindest nicht vorwerfen. Doch der frisch gebackene Hotelbetreiber hatte die Rechnung ohne den Wirt gemacht. Ich rief meinen guten Freund Robin King von unserer australischen Partnerkanzlei in Melbourne an und wir stellten ein Team zusammen, das den Fall zu einem guten Ende brachte. Doch schon einmal vorweggenommen: einfach war es nicht.
Ich lernte Robin King bei einem Interlegal-Netzwerktreffen in Prag kennen. Wir unterhielten uns dort lange über die kulturellen Unterschiede in verschiedenen Rechtsordnungen. Denn wir üben zwar alle denselben Beruf aus. Das bedeutet in dem jeweiligen kulturellen Umfeld jedoch oft etwas ganz anderes. Ich merkte schnell, dass ich es hier mit einem Menschen mit exzellentem Sachverstand zu tun hatte. Und für das Tonga-Abenteuer benötigte ich nicht nur einen Anwalt, der ausländisches Recht anwenden kann (davon gibt es sicherlich viele) – nein, ich benötigte jemanden, der auf der Klaviatur der kulturellen Unterschiede und der Herangehensweise an Behörden und dem Königshof in Tonga spielen kann.
Wir brauchten dennoch einen langen Atem. Der Prozess und die Verfolgung des Übeltäters zogen sich über mehrere Jahre hin. Am Ende gelang es uns jedoch, Geld für unseren Mandanten zurückzuholen. Dabei mussten wir uns allerdings mit dem Gedanken anfreunden, dass unser Verständnis von der Vollstreckung einer Forderung dort nicht so funktioniert, wie man es von europäischen Verhältnissen gewohnt ist. Es war zwar noch möglich, ein Gerichtsurteil in Tonga zu erwirken und dieses dann durch den High Court bestätigen zu lassen. Als wir dann allerdings auch letztinstanzlich ein Urteil gegen den Schuldner erstritten hatten, teilte man uns überraschend mit, dass in Tonga in den letzten dreißig bis vierzig Jahren kein Urteil vollstreckt worden sei und man gar nicht mehr so recht wisse, wie man das mache. Das war eine wirklich neue Erfahrung für uns.
Gerichtsvollzieher oder vergleichbare Beamte gibt es in diesem kleinen Königreich nämlich nicht – und auch kein Gesetz wie unsere Zivilprozessordnung, die vorsieht, ob und wie Gerichtsurteile vollstreckt werden können. Das alte Gesetz war von dem Vater des jetzigen Königs nämlich kurzerhand vor vielen Jahren außer Kraft gesetzt worden. Die Aussage der dortigen Kollegen war nur, dass man Schuldnerfälle „auf andere Weise“ regele, was jedoch aufgrund der fehlenden Einsicht des Schuldners ebenfalls nicht möglich war. Er meinte ja immer noch, dass man gegen ihn nicht vollstrecken könne. Was also tun? Wir baten den König von Tonga, das unwirksame Zwangsvollstreckungsgesetz zumindest für einige Monate durch ein königliches Dekret vorübergehend wieder in Kraft zu setzen. Auf dieser Grundlage konnten die dortigen Beamten dann das Urteil vollstrecken. Dies war für die dortigen Beteiligten eine ganz neue Erfahrung, denn es wurde über Jahrzehnte nicht mehr praktiziert. Unseren ebenfalls zum Team gehörenden Kollegen aus Neuseeland ist dies jedoch gelungen und der Schuldner verlor das Hotel. Er musste am Ende zahlen.
Dieser Fall beweist: Auch wenn es sich schwierig gestaltet, einen solchen Prozess von hier aus zu begleiten und zu steuern – bei guter persönlicher Beziehung und wechselseitigem Vertrauensverhältnis zu Kollegen im Ausland können wir wirklich Hand in Hand gut und effektiv im Sinne des Mandanten arbeiten. Und es reicht nicht, das lokale Recht zu kennen und zu beherrschen.
Dies ist aber nur ein Beispiel von vielen. Zumeist sind unsere internationalen Fälle auch nicht ganz so exotisch, aber doch immer spannend. Und natürlich unterstützen auch wir unsere ausländischen Kollegen in Angelegenheiten hier in Deutschland und Europa. So wie die US-amerikanische Rechtsanwältin Laura Jackson aus Los Angeles. Ihr Mandant, einer der berühmtesten Jazzbassisten der Welt, hatte einen Anspruch in sechsstelliger Höhe, der sowohl schweizerisches und österreichisches als auch US-amerikanisches sowie deutsches Recht betraf. Wir stellten aus den jeweiligen Ländern ein Team zusammen, das unkompliziert und rasch im Rahmen eines echten Teamworkprojekts die Sache anging. Vor dem Landgericht in Bonn führten wir die Sache dann zu einem guten Ende für den Mandanten.
Laura begegnete ich übrigens bei der Abendveranstaltung eines Interlegal-Treffens in New York. Beim Gespräch über Jazzmusik stellten wir fest, dass jeder von uns Musiker im engeren Bekanntenkreis besitzt und wir beide dabei immer wieder feststellten, dass Musiker und Juristen oftmals ganz unterschiedliche Herangehensweisen und Einstellungen zu vielen Themen haben.
Quod erat demonstrandum – und doch viele mögen es kaum glauben – wir Juristen sind tatsächlich auch Menschen und der persönliche Kontakt zu den Kollegen ist ein essentieller Bestandteil unserer Arbeit. Für uns ist es nämlich sehr wichtig, die Menschen zu kennen, in deren Hände wir unsere Mandanten und deren Anliegen legen. Um diesen wichtigen persönlichen Eindruck zu gewinnen, reise ich seit vielen Jahren zu unseren Netzwerkkonferenzen rund um den Globus. Daraus ergeben sich große Vorteile für unsere Mandanten. Benötige ich beispielsweise eine Kurzauskunft von einem Freund in den USA, Japan, Russland, Brasilien, Frankreich oder Argentinien, müsste ich als Fremder zunächst einmal einen förmlichen Vertrag mit einer lokalen Kanzlei abschließen und wäre sicherlich nicht immer ein Premium-Mandant. Wenn ich aber einen Interlegal-Freund anrufe, werde ich in der Regel sofort durchgestellt und kann auch ohne einen formellen Vertrag o.ä. sofort schnelle erste Hilfe erhalten.
Daneben fördert das Netzwerk den fachlichen Austausch durch Konferenztage in Bereichen wie etwa Unternehmensrecht, Steuerrecht, taktisches Vorgehen in anderen Kulturkreisen, Management sowie die Austausch und die Ausbildung unserer Junganwälte. Dank Praktika in den ausländischen Kanzleien stärken sie ihre Verbindung zu den dortigen Kollegen, bauen ihre Sprachkenntnisse aus und gewinnen ein besseres Verständnis für die kulturellen Eigenheiten der dortigen Geschäftswelt. Unser Sozius Daniel Wolgast, der vor Jahren bei unserer englischen Partnerkanzlei Shulmans LLP in Leeds hospitierte, pflegt beispielsweise noch heute ein freundschaftliches Verhältnis zu zahlreichen Anwälten dort. Wir profitieren davon, dass er die dortigen Zuständigkeiten und Ansprechpartner gut einschätzen und uns in unserem Dortmunder Büro sofort sagen kann, wen wir dort von den mehr als 100 Rechtsanwälten konkret ansprechen können. Gleiches gilt für unsere polnischen Partner Koehler Rak & Partners oder Solomon Blum Heymann LLP aus New York.
Dr. Steffen Lorscheider, LL.M. vertritt SPIEKER & JAEGER seit vielen Jahren bei Interlegal. Er ist seit 2015 Generalsekretär und Mitglied des vierköpfigen Vorstands. Als Zusammenschluss rund 50 unabhängiger Wirtschaftskanzleien aus mehr als 45 Ländern auf fünf Kontinenten bietet das Netzwerk mit Sitz in der Schweiz eine attraktive und verlässliche Alternative zu großen internationalen Rechtsanwaltskanzleien und den Kanzleien mit nur einer Niederlassung in einer bestimmten Gerichtsbarkeit. Es gehört zu den ältesten und erfolgreichsten Netzwerken seiner Art. Die Mandanten können auf die Erfahrung vieler unterschiedlich spezialisierter Rechtsanwälte in den wichtigsten Industrienationen und vielen weiteren Ländern zugreifen. Sie kennen die kulturellen Besonderheiten der Geschäftstätigkeiten in verschiedenen Märkten und Rechtssystemen. Weitere Informationen sind unter www.interlegal.net abrufbar.