Unter einem falschen Hasen versteht man gemeinhin einen Hackbraten. Bei dem bekannten Schokoladenhersteller Lindt & Sprüngli wird der Begriff „Falscher Hase“ ganz andere Assoziationen wecken. Lindt & Sprüngli, das ist der Hersteller des bekannten Goldhasen, der in der Osterzeit mit einer roten Schleife und einer kleinen Glocke um den Hals weltweit millionenfach verkauft wird. Kein Wunder, dass ein solcher Erfolg die Begehrlichkeiten von Wettbewerbern weckt. Dementsprechend wurde auch schon oft versucht, sich mit ähnlichen, über die Kassenbänder hoppelnden, nachgeahmten Goldhasen eine Scheibe vom Kuchen des Erfolges abzuschneiden.
Ebenso wenig verwundert es, dass Lindt & Sprüngli stets versucht hat, sich vor Gericht gegen solche Nachahmungen zu wehren. Was gibt es auch schöneres als ein Monopol auf die Schoko-Edelversion des Osterhasen? Auch wenn den meisten Nachahmungen des Goldhasen in der Regel schon in der Gunst der Konsumenten kein ausdauernder Erfolg beschieden war, sind die Versuche von Lindt, sich vor Gericht gegen Nachahmungen durchzusetzen, nicht immer nur von Siegen geprägt. Im Gegenteil.
Insbesondere der Ansatz der Schweizer Schokoladenhersteller, die bloße Gestaltung ihres Goldhasen als sog. Dreidimensionale Marke zu schützen und aus dieser Marke in verschiedenen Ländern gegen Nachahmer vorzugehen, scheiterte letztlich im Jahr 2012 am Widerstand des höchsten europäischen Gerichts, des EuGH. Die Richter in Luxemburg wollten, wie schon die Vorinstanzen, Lindt & Sprüngli partout keine Alleinstellungsrechte auf die bloße Gestaltung eines sitzenden Hasen in goldener Folie und rotem Plisseeband gewähren, da eine solche Produktgestaltung, so die Richter, mangels Unterscheidungskraft nicht als Marke eingetragen werden könne. Das hätte man wohl auch anders sehen können; in der Zeit danach wurde es jedenfalls schwierig für Lindt, sich gegen Nachahmungen zur Wehr zu setzen, natürlich auch abhängig davon, wie geschickt sich die Konkurrenz dabei anstellte.
Zwischendurch wurde Lindt & Sprüngli sogar selbst Adressat einer Unterlassungsklage, als man es nämlich gewagt hatte, im Tierreich zu diversifizieren und einen in Goldfolie verpackten Bären in die Ladenregale zu stellen. Das fand der Goldbären-Hersteller Haribo nicht so witzig und klagte. Letztlich scheiterte das Gummibärchen aber auf seinem Lauf durch die Instanzen vor dem Bundesgerichtshof (BGH) und musste seinen schokoladigen Artgenossen den gebührenden Platz im Süßwarensortiment der Supermärkte einräumen. Keine Verwechslungsgefahr zwischen den Bären, befanden die Richter.
Aber zurück zum Goldhasen. Dessen Alleinstellung attackierte zuletzt eine kleine Manufaktur aus dem Allgäu, die Confiserie Heilemann, die ebenfalls einen Schokoladenhasen in einer goldfarbenen Verpackung vertrieb. Lindt & Sprüngli klagte daraufhin vor dem Landgericht München auf Unterlassung und gewann. Die Richter an der Isar gewährten den Schweizern den erhofften Schutz in Form einer Benutzungsmarke, also keiner im Register eingetragenen Marke, sondern aufgrund eines Zeichens, hier der Farbe „Gold“, das durch die intensive Benutzung bei den Konsumenten „Verkehrsgeltung“ erlangt hat, was nach dem Gesetz eine sehr hohe Bekanntheit voraussetzt. Das Landgericht stützte sich dabei neben Umsatzzahlen und umfangreichen Nachweisen zum bisherigen Verkauf des „Lindt-Goldhasen“ auf ein von Lindt vorgelegtes Verkehrsgutachten. Dieses belegte nämlich, dass rund 76 Prozent der Gesamtbevölkerung den Goldhasen einem bestimmten Unternehmen zuordnen und 72 Prozent dieses bestimmte Unternehmen, nämlich Lindt, sogar namentlich richtig benennen.
Die beklagte Confiserie indes legte Berufung ein. Und gewann. Den zuständigen Senat des Oberlandesgerichts (OLG) München störte es, dass Lindt die Goldfarbe nur für den sitzenden Hasen, und nicht als eine Art „Hausfarbe“ des Unternehmens für verschiedene Produkte desselben Waren- oder Dienstleistungsbereichs benutzt hatte, wie beispielsweise das Nivea‑Blau, Telekom‑Magenta oder Milka Lila. Farbmarkenschutz könne Lindt aber nur beanspruchen, so die Richter des OLG, wenn die Kunden im „Lindt-Goldton“ einen Herkunftshinweis auf die Züricher Schokoladenfabrik auch für solche in Goldfolie eingewickelten Schokoladenhasen erkennen, die sich aufgrund ihrer sonstigen Gestaltungsmerkmale vom Lindt-Goldhasen unterscheiden. Derartige Schokohasen aber, so das OLG München, würde der Verkehr nicht Lindt, sondern anderen Unternehmen zuordnen, da ja der „Lindt-Goldhase“ besonders bekannt sei.
Diese Begründung überzeugt nicht wirklich, denn das OLG München dreht Lindt letztendlich sogar aus seinem Erfolg mit dem Goldhasen einen Strick. Im Grunde ist es wohl so, dass Verbraucher bei sehr bekannten Produkten tatsächlich eher die Unterschiede erkennen die Nachahmungsprodukte zu den Originalen aufweisen. Wenn man diese Argumentation aber konsequent fortdenkt, können so fast alle Nachahmungen eines bekannten Produktes legitimiert werden und irgendwann ist es dann angesichts der mit zahlreichen Nachahmungen einhergehenden Verwässerung vorbei mit dem mühsam erkämpften Vorsprung. In der Konsequenz würde diese Auffassung ja auch bedeuten, dass Produkte umso leichter nachgeahmt werden dürfen, je bekannter sie sind.
Wohl auch deshalb legte Lindt & Sprüngli gegen die Entscheidung des OLG München Revision zum BGH ein. Und die Richter in Karlsruhe wollten der Argumentation des Berufungsgerichts auch nicht so ganz folgen. Die finale Entscheidung des BGH liegt zwar noch nicht vor. In der mündlichen Verhandlung Ende Mai ließen die höchsten deutschen Entscheider über markenrechtliche Streitfälle aber bereits erkennen, dass nahezu 80 Prozent Verkehrsgeltung schon ein gewichtiges Argument für Lindt & Sprüngli ist.
Damit ist zwar noch nicht entschieden, ob aufgrund der Übereinstimmungen auch eine Verwechslungsgefahr zwischen den beiden Produkten besteht. Rein argumentativ hat sich die Beharrlichkeit von Lindt aber bereits ausgezahlt – auch für mögliche Verfahren gegen andere Nachahmer.