Das Oberlandesgericht (OLG) München hat mit Urteil vom 05.08.2021 zu der Frage Stellung genommen, wie eine britische Limited, die ihren Verwaltungssitz in Deutschland hat, im Hinblick auf ihre Rechtsfähigkeit nach dem Brexit zu behandeln ist.
Das OLG München hat in diesem Zusammenhang die herrschende Sitztheorie angewandt, nach der sich gesellschaftsrechtliche Fragen nach dem Recht des Staates beurteilen, in dem die Gesellschaft ihren tatsächlichen Sitz hat. Unter Sitz ist dabei der tatsächliche Verwaltungssitz zu verstehen. Dieser befindet sich an dem Ort, an dem die grundlegenden Entscheidungen der Unternehmensleitung effektiv in laufende Geschäftsführungsakte umgesetzt werden (sogenannte Sandrock’sche Formel). Dies gilt nach der Sitztheorie auch dann, wenn eine Gesellschaft – wie vorliegend die Limited – in einem anderen Staat wirksam gegründet worden war.
Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) führt die Anwendung der Sitztheorie zu einer Kollision mit dem europäischen Primärrecht, mit der Folge, dass sich der Bundesgerichtshof (BGH) für diejenigen Auslandsgesellschaften, die in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder des EWR oder in einem mit diesen aufgrund eines Staatsvertrages gleichgestellten Staat gegründet worden sind, der sog. Gründungstheorie angeschlossen hat. In diesen Fällen gilt für die gesellschaftsrechtliche Beurteilung dann das Gesellschaftsrecht des Gründungsstaates.
Diese Besonderheit ist für das Vereinigte Königreich und dort gegründete Kapitalgesellschaften mit dem Brexit erloschen, mit der Folge, dass sich die Rechtsfähigkeit einer britischen Limited nun wieder nach der Sitztheorie beurteilt. Nach dem im deutschen Gesellschaftsrecht geltenden numerus clausus der Gesellschaftsformen, nach dem nur gesetzlich normierte Gesellschaftsformen zulässig sind, hat das OLG München in konsequenter Anwendung der Sitztheorie die Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland als nicht rechtsfähig beurteilt, denn dem deutschem Gesellschaftsrecht ist die Limited als solche unbekannt.
Dies führt jedoch in letzter Konsequenz nicht dazu, dass die Limited ein rechtliches nullum darstellen würde. Vielmehr ist sie nach deutschem Gesellschaftsrecht für den Fall mehrerer Gesellschafter als Gesellschaft bürgerlichen Rechts oder offene Handelsgesellschaft oder im Falle eines einzelnen Gesellschafters als einzelkaufmännisches Unternehmen zu behandeln, mit der Folge, dass der oder die Gesellschafter der Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nicht von den (vermeintlichen) Haftungsbeschränkungen profitieren, sondern mit ihrem gesamten Vermögen für Verbindlichkeiten der Gesellschaft persönlich haften.
Gesellschafter einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland sollten daher zeitnah Maßnahmen ergreifen, um die im Ergebnis gewünschte beschränkte Gesellschafts- und Gesellschafterhaftung zu erreichen.