Der für insolvenzrechtliche Fragestellungen zuständige IX. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs (BGH) hat in zwei aktuellen Entscheidungen präzisiert, unter welchem Umständen Gesellschafterforderungen wie Gesellschafterdarlehen zu behandeln sind und inwiefern Sicherheiten in Bezug auf Gesellschafterdarlehen der Insolvenzanfechtung unterliegen.
Maßgeblich sind insofern die Regelungen in § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO und § 135 InsO, wonach
- Forderungen auf Rückgewährung eines Gesellschafterdarlehens oder Forderungen aus Rechtshandlungen, die einem solchen Darlehen wirtschaftlich entsprechen, nachrangig befriedigt werden, § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO,
- Rechtshandlungen, die für die Forderungen eines Gesellschafters auf Rückzahlung eines Darlehens im Sinne von § 39 Ans. 1 Nr. 5 InsO Befriedigung oder Sicherung gewährt haben, angefochten werden können (und zurück zu gewähren sind), wenn sie 10 Jahre (Besicherung, § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO) bzw. 1 Jahr (Befriedigung, § 135 Abs. 1 Nr. 2 InsO) vor dem Antrag auf Eröffnung des Insolvenzerfahrens oder nach diesem Antrag angefochten werden können.
1. Ausschluss des Bargeschäftseinwands gem. § 142 InsO
Eine Anfechtung von Rechtshandlungen nach den Regelungen der §§ 129 ff. InsO ist grundsätzlich ausgeschlossen, wenn der Insolvenzschuldner für seine Leistung unmittelbar eine gleichwertige Gegenleistung in sein Vermögen erlangt hat (sog. „Bargeschäftseinwand“), es sei denn es liegt eine vorsätzliche Gläubigerbenachteiligung vor, § 142 Abs. 1 InsO. Der Austausch von Leistung und Gegenleistung ist dann unmittelbar, wenn er nach der Art der ausgetauschten Leistungen und unter Berücksichtigung der Gepflogenheiten des Geschäftsverkehrs in einem engen zeitlichen Zusammenhang erfolgt, § 142 Abs. 2 S. 1 InsO.
In einem Urteil vom 14.02.2019, Az. IX ZR 149/16, hat der BGH nun entschieden, dass der Bargeschäftseinwand des § 142 Abs. 1 InsO nicht bei der Anfechtung der Besicherung eines Gesellschafterdarlehens gilt, also im Rahmen der Anfechtung gem. § 135 Ans. 1 Nr. 1 InsO nicht anwendbar ist. Zwar spreche die Gesetzessystematik – namentlich die Verortung des Bargeschäftsprivilegs als den Anfechtungsregeln der §§ 129 ff. InsO nachgelagerte Vorschrift – für eine Anwendbarkeit. Doch würde eine solche zu einer Ungleichbehandlung von gestellten Sicherheiten führen. Während die in engem zeitlichen Zusammenhang mit der Darlehensauszahlung erfolgte Besicherung privilegiert wäre, gelte dies nicht für eine deutlich vor der Darlehensauszahlung bestellte Sicherheit. Eine solche Ungleichbehandlung sei indes nicht gerechtfertigt. Zudem ergebe sich aus der Gesetzeshistorie, dass das Bargeschäftsprivileg aus gesetzgeberischer Sicht keine Auswirkungen auf die Anfechtbarkeit von Sicherheiten für Forderungen aus Gesellschafterdarlehen haben sollte. So finde die Anfechtungsregelung des jetzigen § 135 InsO in der Gesetzesbegründung zu § 142 InsO im Gegensatz zu den übrigen Anfechtungstatbeständen keine Erwähnung. Darüber hinaus sprächen auch Sinn und Zweck des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO und des § 142 InsO gegen eine Anwendbarkeit des Bargeschäftseinwands im Rahmen der Besicherung von Gesellschafterdarlehen. Dieser bestehe darin, „Vorsorge dagegen (zu) treffen, dass der Gesellschafter das mit einer Darlehensgewährung verbundene Risiko auf die Gemeinschaft der Gesellschaftsgläubiger abgewälzt (…)“ und damit seiner Finanzierungsfolgenverantwortung nicht gerecht wird. „Kann eine mit geringem Stammkapital gegründete Gesellschaft überhaupt nur aufgrund ihr gewährter Gesellschafterdarlehen ihren Geschäftsbetrieb aufnehmen, besteht bei Gewährung einer Sicherheit durch die Gesellschaft die Gefahr, dass ab Aufnahme der werbenden Tätigkeit bis zu einer etwaigen Insolvenz praktisch ihr gesamtes Gesellschaftsvermögen unter Ausschluss der Gläubiger dem Gesellschafter vorbehalten bleibt.“ Nach der Auffassung des BGH würde der „bereits in der beschränkten Haftung liegende Risikoanreiz des Gesellschafters (…) zusätzlich erhöht, wenn er aus dem Gesellschaftsvermögen dank einer Sicherung im Verhältnis zu den sonstigen Gläubigern auch noch vorrangig befriedigt wird. Ein gesicherter Gesellschafter, der um die Erfüllung seines Rückzahlungsanspruchs nicht fürchten muss, wird in Wahrnehmung der Geschäftsführung zur Eingehung unangemessener, wenn nicht gar unverantwortlicher, allein die ungesicherten Gläubiger treffender geschäftlicher Wagnisse neigen. Die Gewährung von Gesellschafterdarlehen, die durch das Gesellschaftsvermögen gesichert werden, ist darum mit einer ordnungsgemäßen Unternehmensfinanzierung nicht vereinbar.“
Auch Sinn und Zweck des Bargeschäftsprivilegs widersprächen einer Anwendbarkeit des § 142 InsO auf die Besicherung von Gesellschafterdarlehen. Schließlich sei Grund für die Ausnahmeregelung des Bargeschäftseinwands die Intention, dass ein sich in der Krise befindlicher Schuldner praktisch vom Geschäftsverkehr ausgeschlossen würde, wenn selbst wertäquivalente Bargeschäfte der Anfechtung unterlägen. § 142 InsO solle mithin die Handlungsfähigkeit des in die Krise gefallenen Schuldners aufrechterhalten. Hierzu solle die in die Krise gefallene Gesellschaft unanfechtbare Geschäfte mit neutralen Dritten tätigen können. Die Besicherung eines Gesellschafterdarlehens könne jedoch regelmäßig nicht als übliches Umsatzgeschäft des allgemeinen Geschäftsverkehrs angesehen werden.
Die Entscheidung des BGH vom 14.02.2019 führt damit dazu, dass auch im engen zeitlichen Zusammenhang mit der Darlehensausreichung gewährte Sicherheiten im weitesten Sinne der 10-jährigen Anfechtungsfrist des § 135 Abs. 1 Nr. 1 InsO unterliegen.
2. Behandlung einer Gesellschafterforderung als darlehensgleiche Forderung
In einem Urteil vom 11.07.2019, Az. IX ZR 210/18, hat der BGH konkretisiert, wann eine aus einem üblichen Austauschgeschäft (z.B. Kaufvertrag) herrührende Forderung eines Gesellschafters eine darlehensgleiche Forderung im Sinne der §§ 39 Abs. 1 Nr. 5, 135 InsO darstellt.
Er hat hierzu klargestellt, dass alle aus Austauschgeschäften resultierenden Forderungen eines Gesellschafters insbesondere dann einem Darlehen entsprechen, wenn diese – rechtlich oder faktisch – gestundet werden. Schließlich stehe eine solche Stundung „bei wirtschaftlicher Betrachtung einem Vereinbarungsdarlehen“ gleich. In diesem Fall sei die Forderung auch insolvenzrechtlich als (Gesellschafter-) Darlehen zu behandeln. Gleichwohl führe nicht jede Stundung zu einer Qualifizierung der Forderung als Darlehen. Insbesondere führe nicht jede Überschreitung markt- bzw. verkehrsüblicher Zahlungsfristen zur Annahme einer darlehensgleichen Forderung, so dass eine Überschreitung einer Zahlungsfrist von 60 Tagen nicht ausreiche, um zwingend eine darlehensgleiche Forderung anzunehmen. Vielmehr müsse ein zusätzlicher Zahlungszeitraum gewährt werden und sich daraus in der Gesamtschau der Schluss auf eine Kreditgewährung unzweifelhaft aufdrängen. Dies sei „im Allgemeinen anzunehmen, wenn eine fällige Forderung von dem Gesellschafter länger als drei Monate rechtsgeschäftlich gestundet oder tatsächlich stehen gelassen wird,“ wobei das Gesetz bei Darlehensverträgen von unbestimmter Dauer gem. § 488 Abs. 3 BGB eine Kündigungsfrist von drei Monaten statuiert. Für die Praxis bedeutet die Entscheidung des BGH, dass Gesellschafter oder ihnen gleichgestellte Personen bei aus Austauschgeschäften resultierenden Forderungen keine Zahlungsvereinbarungen treffen sollten, die sich an die vom BGH genannte Frist von drei Monaten annähern. Gleichzeitig sollten Forderungen auch nicht annähernd drei Monate „stehen gelassen“ werden. Nach Möglichkeit sollten Zahlungsziele – maximal bis zur zeitlichen Schwelle von 60 Tagen – höchstens den marktüblichen Zahlungszielen entsprechen, um das Risiko einer Qualifizierung als darlehensgleich möglichst gering zu halten.