Niemand bleibt von Krankheiten verschont und die finanzielle Absicherung von Beschäftigten im Krankheitsfall folgt der sozialen Verantwortung des Arbeitgebers und der Solidargemeinschaft. Bei einer langandauernden Erkrankung schließt sich daher an einen sechswöchigen Entgeltfortzahlungszeitraum, in dem der Arbeitgeber zur weiteren Gehaltszahlung nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz (EFZG) verpflichtet ist, ein weiterer Zeitraum von 72 Wochen an, in dem der Beschäftigte Krankengeld erhält. Dieses Krankengeld, das die Krankenkasse zahlt, ist deutlich geringer als das letzte Gehalt. Dauert die Erkrankung mehr als 78 Wochen, entfällt das Krankengeld und es besteht möglicherweise ein Anspruch auf Arbeitslosengeld.
In der Praxis kommt es immer wieder vor, dass sich Arbeitnehmer zum Ende des Sechs-Wochen-Zeitraums der Entgeltfortzahlung oder während des Krankengeldbezuges, häufig auch zum Ende des Krankengeldbezuges hin, mit einer Erstbescheinigung eines Arztes melden und eine neue Erkrankung mitteilen. Häufig wird auch im unmittelbaren Anschluss an eine längere Arbeitsunfähigkeit Urlaub beantragt und angetreten, dem wiederum eine durch eine Erstbescheinigung ärztlich attestierte neue Erkrankung folgt. In beiden Fällen werden die betroffenen Arbeitgeber in der Regel zur Zahlung von Entgeltfortzahlung nach dem EFZG aufgefordert.
Tatsächlich besteht ein Anspruch auf eine weitere Entgeltfortzahlung dann, wenn es sich bei der neuerlichen Erkrankung auch tatsächlich um eine neue Erkrankung handelt und die bisherige Erkrankung ausgeheilt ist. Tritt also eine neue (weitere) Erkrankung nur neben eine noch bestehende Erkrankung, für die bereits Entgeltfortzahlung oder Krankengeld geleistet wurde, lebt der Anspruch auf Zahlung von Entgeltfortzahlung nicht wieder auf. Besteht die bisherige Erkrankung fort, kann zudem auch kein Urlaubsanspruch entstehen, da sich nach § 9 des Bundesurlaubsgesetzes (BUrlG) Urlaub und Krankheit ausschließen. Würde der Arbeitnehmer in diesem Fall unmittelbar nach dem Urlaub eine neue (weitere) Erkrankung mitteilen, könnte der Arbeitgeber das gezahlte Urlaubsentgelt zurückverlangen.
Für den Arbeitgeber stellt sich in diesen Konstellationen regelmäßig die Frage nach dem Beweis seiner Annahme, dass es sich um eine sogenannte einheitliche Fortsetzungserkrankung handelt und Entgeltansprüche daher nicht neu entstehen.
Das Bundesarbeitsgericht (BAG) gibt hierzu in einer Entscheidung vom 11.12.2019, 5 AZR 505/18 Antworten:
„Der gesetzliche Anspruch auf Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall ist auch dann auf die Dauer von sechs Wochen beschränkt, wenn während bestehender Arbeitsunfähigkeit eine neue, auf einem anderen Grundleiden beruhende Krankheit auftritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat (Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls). Ein erneuter Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur, wenn die erste krankheitsbedingte Arbeitsverhinderung bereits zu dem Zeitpunkt beendet war, zu dem die weitere Erkrankung zur Arbeitsunfähigkeit führte.“
In dem zu entscheidenden Fall war die Klägerin langzeiterkrankt und befand sich im Krankengeldbezug. Während dieses Zeitraumes unterzog sich die Klägerin am 19.5.2017 einer Operation. Ihre niedergelassene Frauenärztin bescheinigte am 18.5.2017 als „Erstbescheinigung“ eine Arbeitsunfähigkeit vom 19.5.2017 bis 16.6.2017 und durch Folgebescheinigung eine fortbestehende Arbeitsverhinderung bis einschließlich zum 30.6.2017. Aufgrund dieser „Erstbescheinigung“ stellte die Krankenkasse die Zahlung von Krankengeld ein und verwies die Klägerin an ihren Arbeitgeber. Dieser verweigerte die Entgeltfortzahlung in der Annahme, dass die ursprünglich bestehende psychische Erkrankung über den 19.5.2017 hinaus und schließlich bis zur späteren Beendigung des Arbeitsverhältnisses fortbestand. Die Arbeitnehmerin erhob Klage und verlangte von ihrem Arbeitgeber Entgeltfortzahlung.
Das Arbeitsgericht gab der Klage statt. Landesarbeitsgericht (LAG) und das BAG haben das Urteil aufgehoben und die Klage abgewiesen. Der 5. Senat des BAG führt zur Begründung aus:
„Ist der Arbeitnehmer krankheitsbedingt arbeitsunfähig und schließt sich daran in engem zeitlichen Zusammenhang eine im Wege der „Erstbescheinigung“ attestierte weitere Arbeitsunfähigkeit an, hat der Arbeitnehmer im Streitfall darzulegen und zu beweisen, dass die vorangegangene Arbeitsunfähigkeit im Zeitpunkt des Eintritts der weiteren Arbeitsverhinderung geendet hatte.“
Das war der Klägerin im Streitfall nicht gelungen. Das LAG hatte durch Vernehmung der die Klägerin behandelnden Ärzte umfassend Beweis erhoben. Danach konnte nicht festgestellt werden, dass die vorhergehende psychische Erkrankung zum Zeitpunkt der Erstbescheinigung vom 18.05.2019 vollständig ausgeheilt war. Die Klägerin konnte nicht beweisen, dass ein einheitlicher Verhinderungsfall nicht vorlag.
Danach trifft also den Arbeitnehmer für Beginn und Ende der Arbeitsunfähigkeit die Darlegungs- und Beweislast, wenn er in unmittelbarer Folge einer den 6-Wochen-Zeitraum überschreitenden Krankheit Entgeltfortzahlung aufgrund einer neuen Ersterkrankung geltend macht und sich der Arbeitgeber auf den Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls.