Sektoruntersuchung E-Commerce
Im September 2016 veröffentlichte die Europäische Kommission („Kommission“) einen Zwischenbericht zu ihrer Sektoruntersuchung E-Commerce. In dem Zwischenbericht identifiziert die Kommission bestimmte Geschäftspraktiken im Onlinehandel, die den Wettbewerb beschränken und die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher einschränken. Die Kommission sieht den Zwischenbericht auch als Aufforderung an die Unternehmen, ihre aktuellen Vertriebsverträge zu prüfen und sie an die Anforderungen des Europäischen Kartellrechts anzupassen, wo dies noch nicht der Fall ist. Im Laufe der Untersuchung hat die Kommission seit Mai 2015 annähernd 1.800 Unternehmen befragt, die im Onlinehandel von Konsumgütern und digitalen Inhalten tätig sind, und ca. 8.000 Vertriebsverträge ausgewertet. Dem Zwischenbericht folgt derzeit eine öffentliche Konsultationsphase. Interessierte Parteien sind eingeladen den Bericht zu kommentieren und ergänzende Informationen zur Verfügung zu stellen. Nach den Auswertungen der Kommission stellt der Onlinehandel kartellrechtlich einen wichtigen Treiber im Hinblick auf Preisvergleiche und Preiswettbewerb dar. Die Wahlmöglichkeiten der Verbraucher und damit die Möglichkeit, die besten Angebote zu finden, werden vergrößert. Dies gilt auch für die Angebotsseite: Laut dem Zwischenbericht verfolgen mehr als die Hälfte der Internethändler die Preise ihrer Wettbewerber im Internet.
Wettbewerbsbeschränkende Praktiken im Onlinehandel
Im wesentlichen Teil des Zwischenberichts werden bestimmte Geschäftspraktiken identifiziert, die den Onlinewettbewerb beschränken. Insgesamt beobachtete die Kommission, dass die Hersteller auf den wachsenden Internethandel mit verschiedenen Praktiken reagiert haben, um den Vertrieb ihrer Produkte besser zu kontrollieren und ihre Marken besser zu positionieren. Dabei werden insbesondere selektive Vertriebssysteme eingesetzt, in denen die Produkte nur an vorausgewählte autorisierte Händler vertrieben werden, oder die Hersteller verkaufen ihre Produkte online direkt an den Endverbraucher. Die Kommission hat im Rahmen der Untersuchung folgende Klauseln in Vertriebsverträgen als wettbewerbsbeschränkend identifiziert: Verschiedene Formen von Preisempfehlungen oder Preisbeschränkungen der Händler durch den Hersteller, vertragliche Beschränkungen des Händlers, seine Produkte auf Onlinemarktplätzen zu verkaufen, vertragliche Beschränkungen eines Händlers, Angebote an Preisvergleichsportale abzugeben, sowie vertragliche Beschränkungen der Händler, Produkte nicht grenzüberschreitend verkaufen zu dürfen. Die genannten Formen von vertraglichen Vertriebsbeschränkungen machen nach den Ergebnissen der Kommission unter bestimmten Umständen grenzüberschreitende Einkäufe bzw. Onlineshopping insgesamt schwieriger und schaden damit dem Endverbraucher. Der Endverbraucher wird daran gehindert, online an einer größeren Produktauswahl und günstigeren Preisen teilzuhaben.
Beschränkungen im Vertrieb digitaler Inhalte
Im Hinblick auf digitale Inhalte hat die Kommission festgestellt, dass die Verfügbarkeit von Lizenzen entscheidend für die Anbieter von digitalen Inhalten ist und damit ein wesentliches Element des Wettbewerbsmarkts. Im Hinblick darauf hat die Untersuchung ergeben, dass Copyright-Lizenzverträge häufig sehr komplex sind und häufig Exklusivi-täten enthalten. In der Regel wird in den Verträgen bestimmt, welche Gebiete, Technologien und Freigabefenster die Anbieter von digitalen Inhalten nutzen dürfen. Konkret hat die Kommission ermittelt, dass das sog. Geo-Blocking, bei dem Inhalte einer Webseite für Besucher aus bestimmten Gebieten (durch die IP-Adresse identifiziert) gesperrt sind, in Verträgen zwischen Anbietern und Abnehmern eine Wettbewerbsbeschränkung im Europäischen Binnenmarkt und damit einen Kartellverstoß darstellen können. Im Rahmen der Kartellverfolgung sei allerdings eine fallbezogene Beurteilung erforderlich, die auch mögliche Rechtfertigungen für die Beschränkungen des Geo-Blocking beinhalten sollte.
Allgemeine Einordnung von vertikalen Vertriebsbeschränkungen
Auch eine Wettbewerbsbeschränkung im Vertikalverhältnis, d. h. zwischen Hersteller/Lieferant und Abnehmer, kann gegen das Kartellverbot verstoßen. Zudem darf der Internetvertrieb gegenüber dem stationären Vertrieb der Händler grundsätzlich in keiner Form beschränkt werden. Allerdings sind unter bestimmten Voraussetzungen einige Beschränkungen von Onlinehändlern zulässig. So sind zum Beispiel Qualitätsanforderungen an die Verwendung des Internets zum Weiterverkauf zulässig. Auch können im Rahmen eines selektiven Vertriebssystems spezifische Anforderungen an den Onlinevertrieb gestellt werden.
Ausblick
Die Kommission hat bisher keine konkreten Empfehlungen für eine kartellrechtliche Verfolgung bestimmter Verhaltensweisen ausgesprochen, allerdings ist dies zu erwarten. Daher sollten Unternehmen ihre Onlinevertriebsverträge kartellrechtlich untersuchen. Die Kommission scheint zukünftig Beschränkungen in selektiven Vertriebssystemen im Onlinehandel verstärkt nachzugehen. Ebenso sollten Vereinbarungen beurteilt werden, die grenzüberschreitende Verkäufe in der EU einschränken (Geo-Blocking). Dies gilt vor allem für Beschränkungen in Lizenzverträgen. Größte Vorsicht sollten Unternehmen in Hinblick auf Beschränkungen von Preissetzung und der Nutzung von Online-Marktplätzen/Vergleichs-portalen walten lassen.