Update zum Grundsatz der Erschöpfung
In einem früheren Beitrag haben wir die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) und des Bundesgerichtshofes (BGH) zum Verkauf gebrauchter Software dargestellt. Nach dieser sogenannten „UsedSoft“-Rechtsprechung ist es – vereinfacht gesprochen – so, dass durch den ersten Erwerb der Software bzw. einer Lizenz zur Nutzung der Software die Urheberrechte an dieser Software „erschöpft“ im rechtlichen Sinne sind, so dass der Erwerber diese Kopie der Software bzw. diese Lizenz zur Nutzung weiterverkaufen darf. Voraussetzung dafür ist, dass der Ersterwerber diese Kopie oder Lizenz dann nicht mehr selber nutzt und löscht.
Nun hat der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 19.12.2019 zu der Frage Stellung genommen, wie E-Books in diesem Zusammenhang zu behandeln sind. Viele hatten vermutet, dass der EuGH seine Rechtsprechung auf E-Books anwendet, weil es sich dabei letztlich auch um Software handelt.
Wie es manchmal vorkommt, war der EuGH allerdings auch hier für eine Überraschung gut. Konkret ging es in der Entscheidung um die urheberrechtliche Zulässigkeit eines Online-Marktplatzes für „gebrauchte“ E-Books. Der Anbieter dieses Online-Marktplatzes verkauft dort an registrierte Nutzer E-Books, die zuvor von offiziellen Vertreibern oder privaten Nutzern gekauft wurden. Gelesene E-Books sollten dann an den Betreiber des Marktplatzes zurückverkauft werden, wobei der Betreiber dabei von dem jeweiligen Verkäufer verlangte, dass er seine eigene digitale Kopie löscht. Die Vorgaben der UsedSoft-Rechtsprechung sind damit eingehalten.
Der EuGH hat nun entschieden, dass das Überlassen eines E-Books zur dauerhaften Nutzung durch das Herunterladen unter den Begriff der „öffentlichen Wiedergabe“ fällt und nicht unter den Begriff der „Verbreitung an die Öffentlichkeit“. Dies ist wichtig, da das Recht zur öffentlichen Wiedergabe gemäß der einschlägigen Richtlinie (Art. 3 Abs. 3 der InfoSoc-RL) nicht der sogenannten Erschöpfung unterliegt. Der EuGH hat sich also dahingehend festgelegt, dass die Rechte an einem E-Book durch die erstmalige Überlassung gerade nicht erschöpft sind. E-Books können also gegen den Willen des Rechteinhabers nicht gebraucht weiterveräußert werden.
Schiebt man die juristischen Feinheiten beiseite, so besagt die Entscheidung des EuGH nicht nur, dass „normale“ Software und E-Books unterschiedlich zu behandeln sind, sondern auch, dass die Überlassung eines klassischen Buches und die Überlassung eines E-Books in wirtschaftlicher und funktioneller Hinsicht gerade nicht vergleichbar seien. Eine digitale Kopie werde – anders als Bücher – durch den Gebrauch nicht verschlechtert. Eine „gebrauchte“ Kopie des E-Books stehe einer „neuen“ Kopie daher letztlich in nichts nach. So könnten herkömmliche Bücher und E-Books aus Wertungsgründen nicht gleich behandelt werden und es sei daher nicht hinzunehmen, dass E-Books ebenso weiterveräußert werden können, wie gebrauchte Bücher.
Da – anders als bei gebrauchter Software – durch Allgemeine Geschäftsbedingungen bei E-Books also deren Weiterverkauf untersagt werden kann, ist Vorsicht geboten und die jeweiligen Vertrags- und Geschäftsbedingungen der Anbieter sind sorgfältig zu lesen.