Nach wie vor setzt das geltende Beurkundungsrecht für die Beglaubigung von Unterschriften sowie die Entgegennahme von Erklärungen zur Beurkundung die persönliche Anwesenheit der Beteiligten vor einem Notar voraus. Schon immer haben daher, gerade auch bei komplexen Sachverhalten und anspruchsvollen Transaktionen, fehlende zeitliche Verfügbarkeiten, zuletzt natürlich auch besonders die Kontakt- und Mobilitätsbeschränkungen infolge der COVID-19-Pandemie, zu nicht unerheblichem Aufwand bei der Organisation von Vollmachten bzw. nachträglichen Genehmigungen der Erklärungen vollmachtlos handelnder Personen geführt. Häufig besteht daher der nach aktueller Rechtslage nicht umsetzbare Wunsch, eine Beurkundung bzw. Beglaubigung über Telekommunikationsmittel durchzuführen. Wie erste Reaktionen im Mandantenkreis zeigen, stößt es daher nun auf großes Interesse, dass der deutsche Gesetzgeber auf Grundlage europarechtlicher Vorgaben einen weiteren Schritt in Richtung einer Digitalisierung gesellschaftsrechtlicher und registerbezogener Vorgänge und damit eben auch notarieller Dienstleistungen geht. Am 18.12.2020 hat das BMJV den Referentenentwurf für ein Gesetz zur Umsetzung der Digitalisierungsrichtlinie („DiRUG“)vorgelegt. Mit einer Verabschiedung des Gesetzes ist noch in der laufenden Legislaturperiode zu rechnen, das Inkrafttreten wird jedoch erst zum 01.08.2022 erfolgen.
Was sind die wesentlichen Neuerungen durch das DiRUG?
Zentrales Element der Änderungen des Gesellschafts- und Beurkundungsrechts ab dem 01.08.2022 ist die Möglichkeit einer Online-Gründung von GmbH und Unternehmergesellschaft (haftungsbeschränkt). Zur rechtlichen Betreuung der Gründer und Geschäftsführer sowie im Sinne einer Filterfunktion mit rechtlicher Vorprüfung der Vorgänge vor Einreichung bei den Handelsregistern ist die Einschaltung eines Notars weiterhin auch im Rahmen einer Online-Gründung vorgesehen. Die Beurkundung des Gründungsvorgangs erfolgt jedoch nicht bei Anwesenheit der Beteiligten in Gegenwart des Notars, sondern über ein Videokommunikationssystem, zu dessen Einrichtung die Bundesnotarkammer nun gesetzlich verpflichtet ist. Die Nutzung anderer Videokommunikationssysteme, die in jüngster Zeit besonderen Zulauf erfahren haben (z.B. Teams, Zoom, WebEx), ist nicht zulässig. Die Identifikation der Beteiligten erfolgt durch elektronische Identifizierungsmittel der Mitgliedstaaten der EU, die einen vorgeschriebenen hohen Sicherheitsstandard aufweisen und dem Notar das elektronische Auslesen der darauf gespeicherten persönlichen Daten inklusive des amtlichen digitalen Lichtbildes erlauben, also beispielsweise einen deutschen Personalausweis mit eID‑Funktion. Im Umkehrschluss ergibt sich hieraus, dass die Online-Gründung einer GmbH in Deutschland nur für EU-Bürger mit einem entsprechenden elektronischen Identifizierungsmittel möglich ist. Angehörigen von Drittstaaten steht dieser Weg nicht offen.
Zu beachten ist, dass nur sog. Bargründungen online möglich sein werden, in rechtlicher Hinsicht komplexere Sachgründungsvorgänge hierüber also nicht abgewickelt werden können. Für die Gründer wird, analog zu dem bereits seit mehreren Jahren bestehenden Musterprotokoll für die Gründung einer GmbH im vereinfachten Verfahren, ein Musterprotokoll für die Online-Gründung zur optionalen Verwendung bereitgestellt. Selbstverständlich kann auch im Rahmen der Online-Gründung die rechtliche Betreuung des Notars bei der Erstellung und Entwicklung einer im Hinblick auf die Interessen der Beteiligten maßgeschneiderten Satzung in Anspruch genommen werden.
Eine weitere tiefgreifende Veränderung durch das DiRUG folgt daraus, dass zukünftig für die Rechtsformen einer Aktiengesellschaft, GmbH und KGaA auch die Einreichung sämtlicher Dokumente und Informationen zu den Handelsregistern während des gesamten Bestands der Gesellschaften online möglich sein wird. Zwar erfolgen schon jetzt Anmeldungen zum Handelsregister in elektronisch beglaubigter Form. Die Beglaubigung der Unterschrift bedarf jedoch derzeit noch, wie eingangs erwähnt, eines Präsenztermins beim Notar. Dies wird zukünftig durch eine Beglaubigung mit einer qualifizierten elektronischen Signatur, die entweder in Gegenwart des Notars oder mittels des Videokommunikationssystems anerkannt wird, ersetzt.
Was bringt das DiRUG noch?
Eingeführt werden sollen wesentliche Erleichterungen für Bekanntmachungen von Unternehmen. Zukünftig erfolgt die Bekanntmachung (ausschließlich) durch die erstmalige Abrufbarkeit über das Registerportal der Länder unter www.handelsregister.de („register only“). Eine weitere Publikation über andere Online-Portale („www.handelsregisterbekanntmachungen.de“ und www.unternehmensregister.de“) entfällt insoweit.
Der Abruf von Daten aus dem Handelsregister und von Dokumenten, die zum Handelsregister eingereicht wurden, soll künftig generell gebührenfrei sein, wobei stattdessen die eingetragenen Rechtsträger Bereitstellungsgebühren entrichten sollen. Gleiche Lösungen werden für das Vereins-, Genossenschafts- und Partnerschaftsregister gelten.
Die einschlägigen europarechtlichen Richtlinien sehen vor, dass die Mitgliedstaaten einheitliche Voraussetzungen und Vorschriften zur sog. Disqualifikation von Geschäftsleitern aufzustellen haben, also Regeln darüber, unter welchen Voraussetzungen eine Person daran gehindert sein soll, das Amt etwa eines Vorstands oder Geschäftsführers einer Gesellschaft zu übernehmen. Ein Informationsaustausch zwischen den Mitgliedstaaten soll sicherstellen, dass das Bestehen von Disqualifikationstatbeständen auch seitens der zuständigen Register und Gerichte erkannt werden kann.
Erfüllt das DiRUG die Erwartungen?
Mit dem DiRUG setzt Deutschland aller Voraussicht nach zunächst nur die Mindestvorgaben der europäischen Richtlinien um und verzichtet darauf, auch weiteren Rechtsformen die Online-Gründung zu ermöglichen (z.B. AG). Die Anmeldung zu den Registern für Personengesellschaften oder Partnerschaftsgesellschaften sollen nach dem DiRUG nicht online abgewickelt werden können, was den Beteiligten auf Dauer wohl kaum zu vermitteln sein wird. Und selbst die in Aussicht genommene Online-Gründung einer GmbH wird nach aktuellem Stand zukünftig nicht vollständig papierlos über die Bühne gehen können, wenn einzelne Gründer sich bei der Gründung kraft Vollmacht vertreten lassen möchten und Vollmachten dann weiterhin in Papierform dem Notar vorgelegt und von diesem der elektronischen Niederschrift der Gründungsurkunde beigefügt werden müssen. Mit Spannung bleibt abzuwarten, ob sich Online-Beurkundungen über das neue Videokommunikationssystem in der Praxis und Akzeptanz so bewähren, dass sie auch auf andere gesellschaftsrechtliche Vorgänge, insbesondere die Beurkundung von Beschlüssen bei Satzungsänderungen (z.B. Kapitalerhöhungen), Umwandlungsvorgängen sowie Unternehmenstransaktionen ausgeweitet werden können. Im Sinne von Gesellschaften und Investoren, aber auch im Interesse der Anpassungsfähigkeit notarieller Dienstleistungen an technische Entwicklungen, wäre dies sicherlich prinzipiell zu begrüßen.