Nachdem in den letzten Jahren bei Arbeitgebern rund um das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) wenig Aufregung herrschte – von einigen sogenannten „AGG-Hoppern“ abgesehen – gibt es nach einer erheblichen personellen Veränderung der Richterbank des unter anderem für Entschädigungsklagen nach dem AGG zuständigen 8. Senats des Bundesarbeitsgerichts (BAG) Anlass, aufzuhorchen. Gleich eine der ersten Entscheidungen nahm der Senat zum Anlass mit der bisherigen Rechtsprechung aufzuräumen und die Voraussetzungen für einen Entschädigungsanspruch neu zu definieren.
Der Fall:
Der 1953 geborene promovierte Kläger war seit 1983 als Einzelanwalt tätig. Seine Examen hatte er 1979 und 1983 mit einem befriedigenden Ergebnis abgelegt. Die Beklagten betrieben eine hoch spezialisierte Anwaltskanzlei, in der ausschließlich Prädikatsjuristen beschäftigt wurden. Im November 2012 veröffentlichten die Beklagten in einer juristischen Fachzeitschrift eine Stellenanzeige, die auszugsweise den folgenden Inhalt hatte:
• Zur Verstärkung unseres Teams suchen wir einen Rechtsanwalt (m/w) mit 0 – 2 Jahren Berufserfahrung für die Bereiche…
• Wir bieten Ihnen erstklassige Arbeitsbedingungen in einem professionellen Umfeld und eine langfristige Perspektive in einem jungen und dynamischen Team.
• Wir erwarten … eine erstklassige juristische Qualifikation. Bewerber(innen) mit Berufserfahrung haben idealerweise in einer wirtschaftsberatenden Sozietät in einem der Bereiche Öffentliches Recht oder Immobilienwirtschaftsrecht gearbeitet.
Der Kläger bewarb sich auf die ausgeschriebene Stelle. Ohne zu einem Vorstellungsgespräch eingeladen worden zu sein, erhielt er eine Absage, die mit dem üblichen Bedauern keine Begründung enthielt.
Der Kläger machte daraufhin Ansprüche auf Entschädigung und Schadensersatz geltend. Er war der Ansicht, die Ablehnung seiner Bewerbung beruhe auf einer Benachteiligung wegen seines Alters. Mit der Stellenanzeige in der Neue Juristische Wochenzeitschrift (NJW) hätten die Beklagten ausdrücklich eine Berufserfahrung von nur „0 – 2 Jahren“ erwartet und die Mitarbeit in einem „jungen und dynamischen Team“ angekündigt. Dieser Umstand begründe die Vermutung, dass er wegen seines Alters benachteiligt worden sei.
Beim Arbeitsgericht (ArbG) und beim Landesarbeitsgericht (LAG) bleib der Kläger erfolglos. Im Wesentlichen waren beide Gerichte davon ausgegangen, dass der Kläger aufgrund der fehlenden Qualifikation schon objektiv das Anforderungsprofil nicht erfüllt habe. Ansprüche könnten ihm daher nicht zustehen. Seine Bewerbung sei subjektiv nicht ernsthaft gewesen und erfolgt, um eine Entschädigung zu erhalten. Das BAG hob die Entscheidungen auf und sprach dem Kläger in der Entscheidung vom 19.05.2016 eine Entschädigung zu.
Einige Aspekte dieser Entscheidung müssen Sie bei zukünftigen Stellenausschreibungen berücksichtigen:
• Für einen möglichen Schadenersatzanspruch genügt es, dass sich eine Person auf die ausgeschriebene Stelle bewirbt. Im Gegensatz zu der bisherigen Rechtsprechung ist die objektive Eignung oder das subjektive Interesse des Bewerbers nicht mehr erforderlich.
• Eine Benachteiligung wegen des Alters ist schon dann indiziert, wenn in einer Stellenausschreibung Bewerber mit einer Berufserfahrung von 0-2 Jahren in einem jungen und dynamischen Team gesucht werden.
• Eine Rechtfertigung einer Benachteiligung wegen des Alters ist ausgesprochen schwierig und an strenge Voraussetzungen geknüpft. Der Arbeitgeber muss im Einzelnen darlegen und beweisen, dass ausschließlich andere, als das Alter des Bewerbers betreffende, Gründe für die Ablehnung ausschlaggebend waren.
• Die Frage, ob eine Bewerbung „nicht ernsthaft“ war, weil eine Person sich nicht beworben hat, um die ausgeschriebene Stelle zu erhalten, sondern um eine Entschädigung geltend zu machen, betrifft die Frage, ob diese sich unter Verstoß gegen Treu und Glauben den formalen Status als Bewerber iSv. § 6 Absatz 1 Satz 2 Alt. 1 AGG verschafft und damit für sich den persönlichen Anwendungsbereich des AGG treuwidrig eröffnet hat, weshalb der Ausnutzung dieser Rechtsposition der durchgreifende Rechtsmissbrauchseinwand entgegenstehen könnte. Auch das muss der Arbeitgeber darlegen und beweisen. Der Missbrauchseinwand greift dann nicht ein, wenn die Bewerbung eine andere Erklärung haben kann als die Erlangung eines Vorteils.
Unter Berücksichtigung dieser Entscheidung ist zu erwarten, dass der zuständige Senat, an dem sich auch die untergerichtliche Rechtsprechung ausrichten wird, die Benachteiligungsverbote des AGG, insbesondere die des Alters, erweitern und verschärfen wird. Die Voraussetzungen an den Vortrag des Arbeitgebers für einen Rechtsmissbrauch sind so hoch, dass einem Arbeitgeber der notwendige Vortrag kaum gelingen dürfte. Vermeiden Sie also unbedingt alle Hinweise in Stellenausschreibungen, die einen Bezug zum Alter haben, wie z. B. die Suche nach einem „Berufsanfänger“, nach einem „Young Professional“, nach „jungen und dynamischen Bewerbern“ oder nach solchen für ein „junges und dynamisches Team“. Auch die Suche nach einer „Nachwuchskraft“ dürfte schon problematisch sein.
Zulässig bleiben dürfte auch weiterhin die Ausschreibung einer Stelle, die „auch für Berufsanfänger“ geeignet ist.