Gem. § 64 Satz 1 des Gesetzes betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) sind die Geschäftsführer einer GmbH gegenüber der Gesellschaft zum Ersatz von Zahlungen verpflichtet, die nach Eintritt der Zahlungsunfähigkeit der Gesellschaft oder nach Feststellung ihrer Überschuldung geleistet werden. Eine entsprechende Ersatzpflicht trifft die Geschäftsführer nicht im Hinblick auf solche Zahlungen, die auch nach diesem Zeitpunkt mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes vereinbar sind. Die Haftung gem. § 64 Satz 1 GmbHG gilt daher grundsätzlich auch für solche Zahlungen, die innerhalb der maximal 3-wöchigen Insolvenzantragsfrist gem. § 15 a Abs. 1 Insolvenzordnung (InsO) erfolgen.
Wir hatten in unserem letzten Mandantenrundschreiben darauf hingewiesen, dass Insolvenzverwalter, im Bestreben nach ihrem gesetzlichen Auftrag eine möglichst reichhaltige verteilungsfähige Masse für die Insolvenzgläubiger zu generieren, auch die Berater der Insolvenzschuldnerin wegen Pflichtverletzungen im Vorfeld der Insolvenz in Anspruch nehmen.
Primäre Haftungsadressaten für Pflichtverletzungen in der Krise der Gesellschaft bleiben jedoch nach wie vor deren Geschäftsführer, die sich im Falle der Insolvenz der Gesellschaft Inanspruchnahmen durch den Insolvenzverwalter gem. § 64 Satz 1 GmbHG ausgesetzt sehen. Die Inanspruchnahme der Geschäftsführer stellt sich für den Insolvenzverwalter vergleichsweise leicht dar: Der Insolvenzverwalter wählt zur schlüssigen Darlegung des Anspruchs gem. § 64 Satz 1 GmbHG einen Zeitpunkt, der in sicherem Abstand nach dem mutmaßlichen Eintritt der Überschuldung oder Zahlungsunfähigkeit liegt, addiert sodann von diesem Zeitpunkt an alle Überweisungslastschriften auf kreditorischen und alle Gutschriften auf debitorischen Bankkonten der Gesellschaft und klagt diesen Betrag gegen die Geschäftsführer ein.
In Anbetracht dieser weitgehenden Haftung wird bereits seit Jahrzehnten im rechtswissenschaftlichen Schrifttum die Frage einer einschränkenden Auslegung der Haftung gem. § 64 Satz 1 GmbHG diskutiert, nämlich inwiefern Zahlungen bzw. Gegenleistungen, die die Gesellschaft nach Eintritt der Insolvenzreife erhält, haftungsmindernd anzurechnen sind. In seiner älteren Rechtsprechung vertrat der Bundesgerichtshof (BGH) in diesem Zusammenhang noch die Auffassung, Gegenleistungen könnten nur dann haftungsmindernd angerechnet werden, wenn diese bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens dauerhaft im Vermögen der Gesellschaft verblieben.
Aufgrund immer lauter werdender Kritik im rechtswissenschaftlichen Schrifttum an einer derart strikten Haftungsandrohung judizierte der für das Gesellschaftsrecht zuständige II. Zivilsenat des BGH mit Urteil vom 18.11.2014 sodann, dass ein dauerhaftes Verbleiben der Gegenleistung im Gesellschaftsvermögen nicht mehr erforderlich war, um haftungsmindernd berücksichtigt zu werden. Vielmehr stellte der BGH darauf ab, dass ein „unmittelbarer Zusammenhang“ hinsichtlich der nach Insolvenzreife erfolgenden Zahlung und dem Massezufluss bestehen muss. Nicht alle weiteren Massezuflüsse seien zu berücksichtigen, sondern nur solche, die der konkreten masseschmälernden Zahlung konkret zugeordnet werden können.
Zur Haftungserleichterung des GmbHGeschäftsführers judizierte das Oberlandesgericht (OLG) Düsseldorf in einem Urteil vom 01.10.2015, dass sich entsprechend den Regelungen über Bargeschäfte gem. § 142 InsO eine vom Geschäftsführer veranlasste Zahlung dann nicht im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG haftungsbegründend auswirke, „wenn der Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung im unmittelbaren Zusammenhang mit dieser Zahlung eine mindestens gleichwertige Gegenleistung zufließt, unabhängig davon, ob mit dieser Gegenleistung ein dem unmittelbaren Gläubigerzugriff unterliegender Gegenstand zugeführt wird oder nicht.“ Folglich wirkten sich „wiederkehrende Zahlungen der Gesellschaft für von ihr fortlaufend bezogene Versorgungsdienstleistungen nicht im Sinne des § 64 Satz 1 GmbHG masseschmälernd aus.“
Intention des OLG Düsseldorf war es, mit Blick auf insolvenzrechtlich privilegierte Bargeschäfte eine Haftung der Geschäftsführer gem. § 64 Satz 1 GmbHG bereits dann zu verneinen, wenn der Gesellschaft bei wirtschaftlicher Betrachtung eine mindest gleichwertige Gegenleistung zufließt, ohne jedoch zusätzlich zu verlangen, dass ihr mit dieser gleichwertigen Gegenleistung ein unmittelbar dem Gläubigerzugriff unterliegender Gegenstand zugeführt wird. Entscheidend ist dies insbesondere für die Frage, ob bei der Bezahlung von in Rechnung gestellten Dienstleistungen die erbrachte (und bezahlte) Dienstleistung entsprechend ihrem Wert haftungsmindernd zu berücksichtigen ist.
Einer entsprechenden Auslegung des § 64 Satz 1 GmbHG zu Gunsten des Geschäftsführers durch das OLG Düsseldorf hat der BGH nun mit seinem Urteil vom 04.07.2017 eine deutliche Absage erteilt. Der BGH stellt klar, dass nicht jeder beliebige weitere Massezufluss als Ausgleich einer Masseschmälerung und damit haftungsmildernd zu berücksichtigen ist. Der BGH stellt klar, dass zur Vermeidung einer Haftung gem. § 64 Satz 1 GmbHG vielmehr ein „unmittelbarer wirtschaftlicher, nicht notwendig zeitlicher Zusammenhang mit der Zahlung erforderlich (ist), damit der Massezufluss der an und für sich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden kann.“
Nur in diesem Falle könne der Massezufluss der an sich erstattungspflichtigen Masseschmälerung zugeordnet werden. Einem solchen die Masseverkürzung ausgleichenden Massezufluss fehle es jedoch stets dann, wenn die Gegenleistung, die in die Masse gelangt, für eine Verwertung durch die Gläubiger nicht geeignet ist, was regelmäßig bei geringwertigen, typischerweise zum alsbaldigen Verzehr bestimmten Gütern der Fall sei. Hieraus folgt, dass Dienst- und Arbeitsleistungen regelmäßig nicht geeignet sind, die Masseverkürzung auszugleichen, da sie die Aktivmasse nicht erhöhen. Gleiches gilt für Leistungen von Energieversorgungs- und Telekommunikationsunternehmen.
Nach der Entscheidung des BGH vom 04.07.2017 gilt es für die Geschäftsführer der GmbH nach wie vor, nach Eintritt der Insolvenzreife Zahlungen jedweder Art zu unterlassen, die geeignet sind, die Masse zu dezimieren, es sei denn, sie wären mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsleiters vereinbar. Letzteres kann nach der Rechtsprechung insbesondere dann der Fall sein, wenn die Zahlungen zum Erhalt konkreter und nachweisbarer Sanierungschancen innerhalb der maximal 3-wöchigen Insolvenzantragsfrist dienen und auch von dem gewissenhaften Insolvenzverwalter vorgenommen worden wären. Die Geschäftsführer sind daher gehalten, jede nach Eintritt der Insolvenzreife erfolgte Zahlung einer kritischen Prüfung zu unterziehen und sorgfältig zu dokumentieren, aus welchen objektiven Gründen die jeweils vorgenommene Zahlung noch mit der Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmanns vereinbar war.