Welche Folgen der Brexit auf deutsche Unternehmen und ihre Schutzrechte haben kann:
Als vor gut einem Jahr die Bürger des Vereinigten Königreichs (UK) für den Austritt ihrer Länder aus der Europäischen Union stimmten, war dies eine knappe, aber sehr weitreichende Entscheidung. Eine Entscheidung, nicht zuletzt mit großer Bedeutung gerade für deutsche Unternehmen, denn die Handelsbeziehungen zu Großbritannien sind seit jeher eng. Auf welche Art und Weise der Brexit vonstattengehen wird, vermag heute niemand vorherzusagen. Seit der Parlamentswahl vom 8. Juni ist sogar wieder vollkommen offen, ob es tatsächlich zu dem in der Vergangenheit angekündigten „harten Brexit“ kommen wird, oder ob es zu einem weichen, einem ausgewogenen Ausstieg kommt. Sicher ist allerdings, dass der Brexit zahlreiche bedeutende Änderungen mit sich bringen wird. Einige dieser Änderungen wollen wir an dieser Stelle skizzieren und mögliche Folgen aufzeigen.
Schutzrechte
Unionsmarken und Gemeinschaftsgeschmacksmuster (eingetragene Designs) haben Gültigkeit in der gesamten EU und damit zurzeit auch in Großbritannien. Es wird allgemein erwartet, dass Großbritannien aus diesem System vollständig aussteigen wird, denn es ist seiner gesamten Struktur nach auf EU-Mitgliedsstaaten zugeschnitten. Wir halten es jedoch für ebenso wahrscheinlich, dass im Zeitpunkt des Ausstiegs die auf Großbritannien bezogenen Schutzrechte nicht einfach untergehen, sondern auf eine im Einzelnen noch festzulegende Art und Weise im britischen Hoheitsgebiet wirksam bleiben werden. Das kann beispielsweise dadurch geschehen, dass die Marken und Designs als nationale britische Schutzrechte fortgeführt werden. Eine wichtige Frage wird in diesem Zusammenhang sein, ob dies automatisch passiert, oder nur auf Antrag des Marken- oder Designinhabers.
Interessant sind in diesem Zusammenhang insbesondere Fragen der Markenbenutzung bzw. Nichtbenutzung. Anders als bei eingetragenen Designs besteht in Bezug auf Marken zwar keine Benutzungspflicht, wohl aber eine Benutzungsobliegenheit. Wird eine Unionsmarke innerhalb eines zusammenhängenden Zeitraums von fünf Jahren nicht benutzt, kann sie auf Antrag eines Dritten gelöscht werden (sogenannte Löschungsreife). Dasselbe gilt auch für nationale britische Marken. Hier stellt sich zunächst das Problem, dass zur Aufrechterhaltung des Schutzes einer Unionsmarke nicht erforderlich ist, dass die Unionsmarke in sämtlichen Mitgliedstaaten benutzt wird. Wird die Unionsmarke beispielsweise nur in Frankreich, Deutschland und Italien benutzt, wird sie trotzdem -auch mit Wirkung für Großbritannien und alle anderen EU-Mitgliedstaaten – aufrechterhalten, obwohl sie dort nicht benutzt wird.
Denkbar sind folgende Konstellationen:
- Die Unionsmarke wurde vor dem Brexit in einem oder in mehreren EU-Ländern rechtserhaltend benutzt, nicht jedoch in Großbritannien. Folge: Die Unionsmarke ist zum Zeitpunkt der Umwandlung in eine nationale britische Marke nicht löschungsreif. Der Inhaber der umgewandelten britischen Marke muss nunmehr dafür Sorge tragen, dass die Marke auch in Großbritannien rechtserhaltend benutzt wird. Die Benutzungshandlungen in der EU werden sicherlich nicht mehr ausreichen, um die Löschungsreife der britischen Marke zu verhindern.
- Die Unionsmarke wurde vor dem Brexit ausschließlich in Großbritannien rechtserhaltend benutzt, nicht jedoch in anderen Ländern. Folge: Die Unionsmarke ist zum Zeitpunkt der Umwandlung in eine nationale britische Marke auch in dieser Fallkonstellation nicht löschungsreif. Der Inhaber der Marke muss jetzt allerdings dafür Sorge tragen, dass die Marke nicht nur in Großbritannien, sondern auch in anderen EU-Mitgliedsländern benutzt wird, will er den Eintritt der Löschungsreife der Unionsmarke verhindern.
- Die Unionsmarke wurde vor dem Brexit gar nicht rechtserhaltend benutzt, sodass zum Zeitpunkt der teilweisen Umwandlung in eine britische Marke die Unionsmarke an sich löschungsreif war.Folge: Die Expertengremien werden sich zukünftig mit der Frage zu befassen haben, ob eine noch eingetragene, aber löschungsreife Unionsmarke überhaupt in eine britische Marke umgewandelt werden kann. – Wie dem auch sei, will der Inhaber die Markenrechte aufrechterhalten, muss er die Marke gegebenenfalls sowohl in der EU als auch in Großbritannien benutzen.
- Die Unionsmarke wurde vor dem Brexit sowohl in Großbritannien, als auch in weiteren EU-Ländern benutzt. Folge: Einzig in dieser Konstellation scheint der Markeninhaber auf der sicheren Seite zu sein. Er wird zukünftig sowohl seine nationale britische Marke als auch seine Unionsmarke rechtserhaltend benutzen können, ohne durchgreifende Änderungen vornehmen zu müssen.
Lizenzverträge
Marken, Patente und Designrechte sind sehr häufig Gegenstand bilateraler Lizenzverträge. Im Zusammenhang mit dem Austritt Großbritanniens aus der EU wird es unerlässlich sein, alle bereits bestehenden Lizenzverträge daraufhin zu überprüfen, ob die rechtlichen Rahmenbedingungen des Brexit Anlass geben, den Lizenzvertrag anzupassen. Dabei sind nicht nur Verpflichtungen des Lizenzgebers denkbar, den Schutz der Marke oder eines anderen Rechts in Großbritannien aufrecht zu erhalten. Darüber hinaus müssen beispielsweise auch Exklusivrechte und Wettbewerbsverbote daraufhin überprüft werden, ob sie auch zukünftig wirksam und damit rechtsverbindlich sind.
Vertriebsverträge
Entsprechendes gilt auch für vertikale Vertriebsverträge, die in der Vergangenheit mit Unternehmen in Großbritannien abgeschlossen wurden. Wettbewerbsverbote, Exklusivrechte und viele andere Regelungen stehen zurzeit unter dem Vorbehalt unionsrechtlicher Verordnungen und werden durch solche teilweise privilegiert. Solche Privilegien können mit dem Brexit wegfallen. Auch hier besteht somit Handlungs-, mindestens aber Prüfungsbedarf.
Handlungsempfehlungen
Aktuell bereits eingetragene Schutzrechte sowie Lizenz-und Vertriebsverträge müssen auf eventuellen Handlungsbedarf hin überprüft werden, sobald die rechtlichen Rahmenbedingungen des Austritts Großbritanniens aus der EU feststehen. Ein Unternehmen ist sicherlich gut beraten, jetzt schon zu prüfen, ob es Schutzrechte und Verträge mit Wirkung für Großbritannien gibt, die bereits zum jetzigen Zeitpunkt nicht zwingend aufrechterhalten werden müssen. Dies wird den administrativen Aufwand einer entsprechenden Bearbeitung des Gesamtportfolios zum Zeitpunkt des Brexit erheblich erleichtern.
Wenn Marken in der Zeit bis zum Brexit neu angemeldet werden, macht es Sinn, zu überprüfen, in welchen Ländern die Marken in naher Zukunft benutzt werden. Soll die Marke ausschließlich in Großbritannien benutzt werden, ist der Anmeldung einer nationalen britischen Marke der Vorzug zu geben vor einer Unionsmarkenanmeldung. Dies gilt auch dann, wenn die Marke ansonsten nur noch in Deutschland benutzt wird. Auch für diesen Fall ist die Anmeldung einer nationalen deutschen Marke sowie einer nationalen britischen Marke vorzugswürdig.
Lizenz-und Vertriebsverträge, die noch in der Zeit vor dem Brexit unterzeichnet werden, sollten Regelungen darüber enthalten, welche Maßnahmen die Parteien ergreifen müssen, um, abhängig von den rechtlichen Rahmenbedingungen des Brexit, die Gültigkeit der Verträge sowohl in der EU, als auch in Großbritannien sicherzustellen. Dabei muss nicht nur an Schutzrechte, sondern insbesondere auch daran gedacht werden, dass gewisse Handelsbeschränkungen zwischen EU-Mitgliedstaaten und Großbritannien zukünftig nicht ausgeschlossen werden können.
Welche konkreten rechtlichen Auswirkungen der Brexit haben wird, werden wir natürlich im Auge behalten und an dieser Stelle darüber berichten.