Geschäftsführerhaftung trotz erteilter Entlastung?

Die potentielle Haftung von Geschäftsführern einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) hat weiterhin Konjunktur. Während sich das Oberlandesgericht (OLG) Zweibrücken im Jahr 2022 für Haftungserleichterungen durch ein stillschweigendes Einverständnis der Gesellschafter mit dem im Nachhinein beanstandeten Geschäftsführerhandeln ausgesprochen hatte (Urt. v. 18.08.2022, 4 U 198/21), hat das OLG Brandenburg in einer aktuellen Entscheidung (Urt. v. 24.01.2024, 7 U 2/23)  klargestellt, dass, erstens, die Feststellung von Jahresabschlüssen nur in Ausnahmefällen zu einer Entlastung des Geschäftsführers führt und, zweitens, die Gesellschaft den Geschäftsführer einer GmbH trotz erteilter Entlastung auf Schadensersatz in Anspruch nehmen kann, wenn die haftungsbegründenden Umstände vor Erteilung der Entlastung für die Gesellschafter nicht erkennbar waren.

Grundsatz

Verstoßen die Geschäftsführer einer GmbH gegen ihre Verpflichtung, in den Angelegenheiten der Gesellschaft die Sorgfalt eines ordentlichen Geschäftsmannes anzuwenden, haften sie der Gesellschaft gemäß § 43 Abs. 2 Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbHG) gesamtschuldnerisch für den entstandenen Schaden.

Ausschluss der Haftung durch stillschweigendes Einverständnis

Bereits im Jahr 2023 hatten wir berichtet, dass ein Einverständnis der Gesellschafter mit dem Verhalten des Geschäftsführers dessen Haftung ausschließt. Dieses die Haftung des Geschäftsführers ausschließende – auch stillschweigend mögliche – Einverständnis soll nach der Auffassung des OLG Zweibrücken bereits dann vorliegen können, wenn die Gesellschafter vom Geschäftsführer in die betreffende E-Mail-Korrespondenz der nun beanstandeten Angelegenheit „in cc“ eingebunden waren und keine gegenläufigen Weisungen erteilt haben.

(Kein) Ausschluss der Haftung bei Entlastung?

Das OLG Brandenburg hatte in seiner vorgenannten Entscheidung über einen Sachverhalt zu befinden, in dem der Gesellschafter-Geschäftsführer einer GmbH über mehrere Jahre hinweg zusätzlich zu seinen Geschäftsführerbezügen diverse Zahlungen an sich selbst veranlasst hatte.

Nach Beendigung der Organstellung durch Abberufung aus wichtigem Grund verlangte die Gesellschaft diese zusätzlichen Zahlungen im Wege des Schadensersatzes. Der (ehemalige) Geschäftsführer berief sich zu seiner Verteidigung unter anderem darauf, seine Haftung sei aufgrund ihm erteilter Entlastung ausgeschlossen. Dies ergebe sich jedenfalls für die Jahre, in denen ihm Entlastung nicht ausdrücklich erteilt worden sei, aus der Feststellung der Jahresabschlüsse, da aus diesen die nun beanstandeten Zahlungen erkennbar seien.

Das OLG Brandenburg ist dieser Argumentation teilweise gefolgt.

Es hat zunächst die anerkannten Grundsätze des Bundesgerichtshofs (BGH) angewandt, nach denen die Entlastung eines Geschäftsführers Schadensersatzansprüche und Abberufungsgründe ausschließt, wobei sich die Entlastung auf alle Geschäftsvorfälle erstreckt, die für die Gesellschafter bei sorgfältiger Prüfung aufgrund der ihnen vorgelegten Unterlagen erkennbar waren, also auch auf Umstände, die die Gesellschafter durch Nachrechnen oder Nachfragen in Erfahrung bringen konnten, wie beispielsweise erhöhte Spesenabrechnungen.

Zu beachten ist insofern, dass die Gesellschaft die Darlegungs- und Beweislast für die fehlende Erkennbarkeit der für die Begründung des Schadensersatzanspruchs maßgeblichen Umstände trifft.

Im Ergebnis ist die Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen gegen den Geschäftsführer trotz Entlastung dann möglich, wenn der Gesellschaft der Beweis gelingt, dass die haftungsbegründenden Umstände trotz sorgfältiger Prüfung für die Gesellschafter nicht erkennbar waren.

Demgegenüber hat das OLG Brandenburg – zu Recht – klargestellt, dass die alleinige Feststellung des Jahresabschlusses (ohne gesonderte Beschlussfassung über die Entlastung des Geschäftsführers) nicht zum Ausschluss von Ansprüchen der Gesellschaft gegen den Gesellschafter-Geschäftsführer führt. Zwar stelle die Feststellung des Jahresabschlusses einen Vorgang dar, mit dem die Gesellschafter im Sinne eines zivilrechtlich verbindlichen – möglicherweise nur deklaratorischen – Schuldanerkenntnisses, Ansprüche zwischen sich und der Gesellschaft verbindlich festlegen. Dies gelte regelmäßig jedoch nicht für Drittgeschäfte eines Gesellschafters mit der Gesellschaft wie beispielsweise Verbindlichkeiten aufgrund eines gesondert geschlossenen Geschäftsführerdienstvertrages.

Deshalb komme eine der Entlastung gleichstehende Befreiung des Geschäftsführer-Gesellschafters durch die Feststellung des Jahresabschlusses ausnahmsweise nur dann in Betracht, wenn die Gesellschafter dies vereinbaren oder ihnen bereits vor der Beschlussfassung über die Feststellung des Jahresabschlusses bewusst ist, dass Uneinigkeit in Bezug auf eine Verbindlichkeit besteht.

Praxishinweis

Aufgrund der dargelegten Rechtsfolgen von Entlastung und Feststellung des Jahresabschlusses sollte die entsprechende Beschlussfassung mit Bedacht erfolgen. Zweifel, Unklarheiten und Unstimmigkeiten sollten vor der Beschlussfassung in jedem Fall ausgeräumt und aufgeklärt werden.