Verbraucher haben bekanntlich das Recht, einen außerhalb der Geschäftsräume des Auftragnehmers geschlossenen Vertrag zu widerrufen. Mit dieser Regelung sollen Verbraucher gegen etwaige Überraschungen oder „Überrumpelungen“ geschützt werden.
Sofern das verwendete Vertragsformular eine deutlich sichtbare Widerrufsbelehrung enthält, beträgt die Widerrufsfrist 14 Tage; bei Verträgen ohne derartige Belehrungen beträgt die Frist 12 Monate und 14 Tage (§ 356 Abs. 3 S. 2 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)). Einen Fall mit unerfreulicher und wirtschaftlich ungerechter Lösung hat der Bundesgerichtshof (BGH) nach Vorlage des Oberlandesgerichts (OLG) München entschieden (B. v. 10.05.2023, VII ZR 414/21).
Ein Dachdecker hat mit dem Bauherrn auf der Baustelle einen Vertrag über die Eindeckung eines Ziegeldaches bei einem Einfamilienhaus geschlossen. Soweit – so durchaus üblich! Nach fertiger Arbeit widerrief der Besteller den vor 10 Monaten geschlossen Vertrag. Der Dachdecker verlangte daraufhin seine Vergütung – und verlor in allen Instanzen!
Die Parteien hatten einen sogenannten Außer-Geschäftsraum-Vertrag geschlossen ohne entsprechende Widerrufsbelehrung. Der Widerruf nach 10 Monaten seit Vertragsschluss war damit rechtzeitig. Mangels Widerrufsbelehrung erhielt der Handwerker auch keinen Wertersatz. Dem Dachdecker half auch nicht die Sondervorschrift für Verbraucherbauverträge. Diese Vorschrift würde zwar einen Wertersatz zubilligen, aber nur, wenn der Unternehmer mit dem Bau eines neuen Hauses insgesamt oder mit vergleichbarem Umfang von Sanierungs- oder Umbaumaßnahmen beauftragt war. Die Dachdeckung gehört nicht dazu. Es kam noch schlimmer: Der Handwerker hatte auch keinen Anspruch auf Herausgabe der verbauten Dachziegel o.ä. Diese waren nämlich mit der Montage wesentlicher Bestandteil des Gebäudes geworden und damit in das Eigentum des Bestellers übergegangen.
Es muss daher allen Handwerkern dringend empfohlen werden, etwaige Werkverträge entweder innerhalb deren Geschäftsräume zu schließen oder aber auf eine ordnungsgemäße Widerrufsbelehrung zu achten.
Allerdings wird der bereits aufkommenden Tätigkeit von selbsternannten Verbraucherschützern, die auf Widerrufsmöglichkeiten hinweisen, zumindest teilweise ein Riegel vorgeschoben. In dem obigen Fall ist nämlich der Anwendungsbereich für den Verbraucherwiderruf gegeben: Beide Parteien befinden sich bei Vertragsschluss außerhalb der Geschäftsräume. Bei einem sehr ähnlichen Fall hatte der Widerruf allerdings keinen Erfolg. Der Besteller erhielt auf entsprechende Anfrage ein telefonisches Angebot für eine Zusatzleitung zu einem bestehenden Auftrag. Erst am folgenden Tag – dann auf der Baustelle – nahm der Auftraggeber das Angebot gegenüber dem dort anwesenden Geschäftsführer des Unternehmens an. Der BGH (Urt. v. 06.07.2023, VII ZR 151/22) hat hier fein unterschieden: Voraussetzung des Widerrufsrechts ist der Vertragsschluss bei gleichzeitiger Anwesenheit der Parteien außerhalb der Geschäftsräume bzw. „vor Ort“. Diese Voraussetzung wird nur erfüllt, wenn sowohl Angebot als auch dessen Annahme bei gleichzeitiger Anwesenheit beider Parteien erklärt werden. Dies war nicht der Fall, da das Angebot an dem einen Tag telefonisch abgegeben und die Annahme einen Tag später erklärt wurde. Dieses zeitliche Auseinanderfallen von Angebot und Annahme wird von der entsprechenden Vorschrift (§ 312b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 BGB) nicht erfasst. Sobald also der Verbraucher Gelegenheit hatte, ein Angebot zu prüfen oder „darüber nachzudenken“, ist der Schutz vor Überraschungen nicht mehr erforderlich. Ein Widerruf ist dann nicht mehr möglich.
Handwerker sollten bei ihrem Vertragsschluss sorgfältig über die äußeren Umstände nachdenken und sich ggfs. rechtlich beraten lassen bevor sie in eine Widerrufsfalle geraten. Verbraucher sollten ebensolches tun, um nicht einen vorzeitigen Widerruf abzusetzen, welcher ggfs. als freie Vertragskündigung gesehen werden kann. Eine erhebliche Vergütungspflicht ohne Leistungen erhalten zu haben, wäre hiervon die Folge.