Wie vertraulich ist die Kommunikation in privaten WhatsApp-Gruppen? Beleidigungen und Hetze gegen Arbeitskollegen und Vorgesetzte können den Job kosten, wenn die Chats öffentlich werden. Das hat das Bundesarbeitsgericht (BAG) aktuell entschieden (Urt. v. 24.08.2023, 2 AZR 17/23).
Die bei der TUIfly GmbH beschäftigten Kläger gehörten seit 2014 einer Chatgruppe mit fünf anderen Arbeitnehmern an. Im November 2020 wurde ein ehemaliger Kollege als weiteres Gruppenmitglied aufgenommen. Alle Gruppenmitglieder waren nach den Feststellungen der Vorinstanz „langjährig befreundet“, zwei sogar miteinander verwandt. Neben rein privaten Themen äußerten sich die Kläger in beleidigender und menschenverachtender Weise u.a. über Vorgesetzte und Arbeitskollegen. Nachdem die Beklagte hiervon zufällig Kenntnis erhielt, kündigte sie das Arbeitsverhältnis der Kläger außerordentlich fristlos.
Sowohl das Arbeitsgericht (ArbG) Hannover (Urt. v. 24.02.2022, 10 Ca 147/21) als auch das Landesarbeitsgericht (LAG) Niedersachsen (Urt. v. 19.12.2022, 15 Sa 284/22) gaben den Kündigungsschutzklagen der Kläger statt und begründeten die Entscheidung insbesondere damit, dass die zu beanstandenden Äußerungen in einer privaten Chatgruppe gemacht wurden und daher keine Sanktion auf betrieblicher Ebene rechtfertigen könnten.
Das BAG hob diese Urteile nun aber auf und verwies die Verfahren an die Vorinstanz nach Hannover zurück.
Für den 2. Senat des BAG stellt eine WhatsApp-Gruppe nicht in jedem Fall eine Art geschützten, privaten Raum dar, in dem uneingeschränkt Vertraulichkeit gelte und Beschimpfungen oder Beleidigungen ohne arbeitsrechtliche Sanktionen ausgetauscht werden können. Die Vertraulichkeitserwartung hänge wesentlich von der Art der Nachrichten und der Größe der Gruppe ab, so das BAG in seiner Begründung. Nur wenn ein Arbeitnehmer in berechtigter Weise erwarten könne, dass die gravierenden Beleidigungen von keinem Gruppenmitglied an einen Dritten weitergegeben werden und alles vertraulich bleibe, sei eine fristlose Kündigung ausnahmsweise unwirksam, so die Richter.
Vor dem LAG in Hannover sollen die Kläger daher nun nochmals genauer begründen, warum sie angesichts der Größe der Chatgruppe, ihrer geänderten Zusammensetzung, der unterschiedlichen Beteiligung der Gruppenmitglieder an den Chats und der Nutzung eines auf schnelle Weiterleitung von Äußerungen angelegten Mediums auf die Verschwiegenheit aller Mitglieder der Chatgruppe vertrauen durften. Dazu war bisher nichts vorgetragen worden.
Für die Praxis ist die Entscheidung von besonderer Bedeutung, sind doch ehrverletzende Äußerungen in bekannt gewordenen Chat-Verläufen immer wieder Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Die Rechtsprechung zu ehrverletzenden Äußerungen in geschlossenen Gruppen von Messaging entsprach bisher eher der der Vorinstanzen des nunmehr entschiedenen Falls. Je größer und inhomogener die Chatgruppe ist, desto eher sinkt die berechtigte Vertraulichkeitserwartung. Das wird insbesondere auch dann gelten, wenn in diesen Chatgruppen auch über dienstliche Belange geschrieben wird, der Chat etwa zur Abstimmung oder Information von Arbeitszeiten und Dienstplaneinsätzen genutzt wird.