Mit Urteil vom 10.04.2018 (1 BvL 11/14) hat das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) die bisherigen gesetzlichen Regelungen für die Bemessung der Grundsteuer für verfassungswidrig erklärt und dem Gesetzgeber aufgegeben, bis Ende 2019 eine Neuregelung zu schaffen. Nach den geltenden Regelungen soll in regelmäßigen Zeitabständen eine allgemeine Wertfeststellung – die sogenannte Hauptfeststellung – stattfinden. Für bebaute und unbebaute Grundstücke soll diese alle sechs Jahre erfolgen. Allerdings hat der Gesetzgeber 1970 angeordnet, dass der Zeitpunkt der auf die Hauptfeststellung 1964 folgenden nächsten Hauptfeststellung durch besonderes Gesetz bestimmt wird. Ein solches Gesetz ist allerdings in der Folge nie verabschiedet worden, so dass die Einheitswerte für Grundbesitz in den „alten“ Bundesländern noch heute auf der Grundlage der Wertverhältnisse zum 01.01.1964 ermittelt werden und die Grundlage für die Bemessung der Grundsteuer bilden. Dies führt nach Ansicht – nicht nur – des BVerfG zu gravierenden und umfassenden Ungleichbehandlungen bei der Bewertung von Grundvermögen, für die es keine ausreichende Rechtfertigung gibt.
Im November 2019 wurde ein Gesetzespaket zur Reform der Grundsteuer verabschiedet. Die Länder können abweichende Regelungen treffen, wovon in Nordrhein-Westfalen allerdings kein Gebrauch gemacht worden ist. Die nach diesen Vorschriften neu berechnete Grundsteuer ist ab dem Jahr 2025 zu zahlen. Bis dahin gelten die bestehenden Regelungen fort. Eigentümer von Grundbesitz müssen dennoch schon in diesem Jahr aktiv werden: Die Feststellungserklärung, aufgrund derer die Grundsteuer festgesetzt wird, ist im Zeitraum vom 01.07.2022 bis zum 31.10.2022 digital beim Finanzamt einzureichen. Die Finanzverwaltung Nordrhein-Westfalen hat angekündigt, ab Mai 2022 individuelle Informationsschreiben mit Daten, die der Finanzverwaltung vorliegen, an Grundstückseigentümer zu versenden.
Die Grundsteuer berechnet sich, nach wie vor, indem der ermittelte Grundsteuerwert des Grundstücks mit der Steuermesszahl und dem von der jeweiligen Gemeinde festgelegten Hebesatz multipliziert wird. In Dortmund liegt der Hebesatz beispielsweise bei 610 %. Die Bewertung von unbebauten Grundstücken richtet sich nach dem Bodenrichtwert. Der Grundsteuerwert bebauter Grundstücke richtet sich entweder nach dem Ertragswertverfahren oder nach dem Sachwertverfahren. Welches der beiden Verfahren zur Anwendung kommt, hängt von der Grundstücksart ab: Während Einfamilienhäuser, Zweifamilienhäuser, Mietwohngrundstücke und Wohneigentum nach dem Ertragswertverfahren bewertet werden, erfolgt die Bewertung von Geschäftsgrundstücken, gemischt genutzten Grundstücken, Teileigentum und sonstigen bebauten Grundstücken nach dem Sachwertverfahren.
Beim Ertragswertverfahren wird der Wert von bebauten Grundstücken auf der Grundlage des für diese Grundstücke marktüblich (hypothetisch) erzielbaren Ertrags ermittelt. Der Grundsteuerwert berechnet sich aus der Summe des kapitalisierten Reinertrags und des abgezinsten Bodenwerts. Der kapitalisierte Reinertrag ergibt sich aus dem um pauschalierte Bewirtschaftungskosten geminderten Rohertrag eines Grundstücks, der mit einem Barwertfaktor multipliziert wird. Der Rohertrag wird anhand von typisierten Werten ermittelt. Der abgezinste Bodenwert ergibt sich durch Anwendung eines Abzinsungsfaktors auf den – gegebenenfalls korrigierten – Bodenwert des Grundstücks.
Beim Sachwertverfahren sind nicht die zukünftig dauerhaft zu erzielenden Erträge, sondern die Herstellungs- bzw. Wiederbeschaffungskosten wertbestimmend. Der Grundsteuerwert ergibt sich hier aus der Summe von Bodenwert und Gebäudesachwert, die mit einer Wertzahl zu multiplizieren ist. Der Gebäudesachwert errechnet sich aus typisierten gewöhnlichen Herstellungskosten, wovon eine Alterswertminderung abzuziehen ist.
Die Grundsteuerwerte werden erstmals zum 01.01.2022 festgestellt. Die Hauptfeststellung wiederholt sich alle sieben Jahre, da die Wertverhältnisse und die tatsächlichen Verhältnisse typischerweise Veränderungen unterliegen.
Mit einem Aufhommen von knapp EUR 15 Mrd. ist die Grundsteuer fiskalisch eher von untergeordneter Bedeutung, für die Gemeinden indes eine bedeutende, da kaum Schwankungen unterworfene Einnahmequelle. Die Reform der Grundsteuer soll im Ergebnis aufhommensneutral sein. Ob die Neuregelung den Vorgaben des BVerfG gerecht wird und weniger Ungleichbehandlungen zur Folge hat, muss sich allerdings noch in der Praxis erweisen. Trotz zahlreicher Pauschalierungen und Typisierungen ist die Anwendung der Vorschriften und die Nachvollziehbarkeit der Berechnung nicht ganz einfach.