Es ist wohl davon auszugehen, dass deutsche Bauern und landwirtschaftliche Unternehmen eifrig gedüngt haben. Fest steht mittlerweile, dass sie bei dem Erwerb ihrer Pflanzenschutzmittel zu hohe Preise zahlten. Das Bundeskartellamt (BKartA) hat nämlich im sogenannten „Pflanzenschutzmittel-Kartell“ festgestellt, dass Großhändler von Pflanzenschutzmitteln Preislisten, Rabatte und zum Teil sogar Einzelpreise beim Verkauf an Einzelhändler und Endkunden abgesprochen hatten. Dies eröffnet nun den Erwerbern dieser Pflanzenschutzmittel die Möglichkeit, den kartellbedingten Preisaufschlag im Wege des Kartellschadensersatzes zurückzuerlangen. Die Grundlage für eine erfolgversprechende Klage auf Ersatz des durch die Kartellverstöße erlittenen Schadens liegt dabei in dem entsprechenden Bußgeldbescheid des BKartA. Gerichte sind – stark vereinfacht – an die dortigen Ausführungen gebunden.
Die entsprechenden Ausführungen des BKartA sind drastisch. Insgesamt hat das BKartA ein Bußgeld von insgesamt EUR 155 Mio. gegen sieben Großhändler von Pflanzenschutzmitteln wegen Absprachen über Preislisten, Rabatte und einiger Einzelpreise beim Verkauf an Einzelhändler und Endkunden in Deutschland verhängt.
Am stärksten betroffen war die BayWa. Gegen die Münchener Großhändler wurde mit EUR 70 Mio. das höchste Bußgeld verhängt. An zweiter Stelle folgt die Agravis Raiffeisen mit 43,7 Mio. Euro. Weitere Bußgelder ergingen gegen die AGRO Agrargroßhandel, BSL Betriebsmittel Service Logistik, Getreide AG, Raiffeisen Waren und ZG Raiffeisen. Allein Beiselen, die mit dem BKartA kooperierte, wurde das Bußgeld erlassen. Für den zugefügten Schaden wird aber auch Beiselen einstehen müssen.
Die Ermittlungen des BKartA zeigten, dass die Unternehmen seit dem Jahr 1998 bis zum Zeitpunkt einer Durchsuchung im März 2015 jeweils im Frühjahr und Herbst ihre Preislisten für Pflanzenschutzmittel miteinander abgestimmt haben. Grundlage der Abstimmung war, so das BKartA, eine gemeinsame Kalkulation der Großhändler, die weitgehend einheitliche Preislisten für Einzelhändler und Endkunden zur Folge hatte. Vor allem in den ersten Jahren hätten einige Unternehmen die abgestimmte Preisliste einfach für die eigene Preissetzung übernommen, indem sie faktisch nur noch ihr Firmenlogo über die fertige Liste gesetzt hätten.
In der Anfangszeit des Kartells hätten sich die Unternehmen zudem mehrmals im Jahr getroffen, um sich auf (rabattfähige Brutto-) Listenpreise zu verständigen; in späteren Jahren sei die Abstimmung überwiegend schriftlich und telefonisch erfolgt. Die vier führenden Großhändler im Markt hätten grundsätzlich die Vorabstimmung der Kalkulation dieser Preisangaben übernommen. Im Anschluss sei die weitere Abstimmung unter den Großhändlern in zwei Lagern erfolgt, einerseits unter den genossenschaftlich organisierten Großhändlern und andererseits unter den sogenannten Privaten, den nicht-genossenschaftlich organisierten Großhändlern. Das Ergebnis dieser Abstimmung, die Kalkulationsschemata sowie die fertig berechneten (rabattfähigen Brutto-) Preislisten, seien dann allen Unternehmen jeweils zur Frühjahrsund Herbstsaison zur Verfügung gestellt worden. Jedenfalls bis zum Jahr 2008, zum Teil aber weit darüber hinaus, hätten die betroffenen Großhändler auch die darauf zu gewährenden Rabattspannen sowie teilweise Netto-Netto-Preise (Abgabepreise gegenüber Einzelhändlern ohne weitere Rabattierung) für zentrale Produkte abgesprochen.
Angesichts dieser deutlichen Erkenntnisse des BKartA besteht nun die Möglichkeit der geschädigten Bauern und landwirtschaftlichen Unternehmen als Abnehmer der Pflanzenschutzmittel, den kartellbedingten Preisaufschlag als Schaden von den Kartellanten ersetzt zu verlangen. Es liegt auf der Hand, dass etwa diejenigen Bauern und landwirtschaftlichen Unternehmen, die Pflanzenschutzmittel von den Großhändlern erwarben, nachhaltig geschädigt wurden. Und auch diejenigen, die Pflanzenschutzmittel von Einzelhändlern erwarben, dürften geschädigt worden sein, weil der Preisaufschlag von den Groß- zu den Einzelhändlern und sodann an die Bauern und landwirtschaftlichen Unternehmen als Endabnehmer weitergegeben worden sein dürfte. Hier für besteht sogar die gesetzliche Vermutung des § 33c Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), die durch die Kartellanten schwer zu widerlegen sein wird.
Vor diesem Hintergrund gilt nun es für Bauern und landwirtschaftliche Unternehmen, die einschlägigen Beschaffungsvorgänge zu Ihrem Erwerb von Pflanzenschutzmitteln seit 1998 – Ausschreibungen, Verträge, Konditionen, Lieferscheine, Rechnungen, kurz, alles was mit den gezahlten Preisen in Zusammenhang steht – schnell zu dokumentieren. Unternehmensinternes Wissen rund um die Beschaffungsvorgänge droht, etwa durch personelle Wechsel, schneller als gedacht, in Vergessenheit zu geraten.
Liegen diese Nachweise des Erwerbs vor und steht nach der Prüfung dieser Beschaffungsvorgänge fest, dass es zu einem Schaden gekommen sein könnte, sollten nach Rücksprache mit einem Kartellrechtsspezialisten in einem ausführlichen, sorgsam begründeten Anspruchsschreiben zur Zahlung von Schadenersatz aufgefordert werden. Scheitert eine solche vorgerichtliche Einigung, kann schließlich Klage erhoben werden.