Es bleibt spannend! Nach wie vor bleibt unklar, ob die Mindestsatzregelungen der Verordnung über die Honorare für Architekten- und Ingenieurleistungen (HOAI) weiterhin zwingend zu beachten sind oder nicht. Bereits in den letzten Ausgaben der Triumph (03/19 und 01/20) haben wir über die Folgen des Urteils des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom 04.07.2019 (C-377/17) ausführlich berichtet, in dem der EuGH eine Unionsrechtswidrigkeit der Mindestsätze der HOAI auch für laufende Gerichtsverfahrens zwischen Privatpersonen angenommenen hat.
In der Folgezeit konnten wir berichten, dass verschiedene Oberlandesgerichte dieses Urteil unterschiedlich zur Anwendung gebracht haben. Auf der einen Seite wurde eine direkte Anwendbarkeit zwischen den Parteien – Architekt und Auftraggeber – auch für laufende Gerichtsverfahren bejaht. Andererseits wurde die Auswirkung des Urteils des EuGH lediglich im Hinblick auf die Verpflichtung der Bundesrepublik Deutschland gesehen, geänderte Regelungen für die Honorierung von Architekten und Ingenieuren zu erlassen, welche das Europarecht nicht in dieser Weise berühren, sodass die Verbindlichkeit der Mindestsätze weiterhin Bestand hätte.
Auf laufende Gerichtsverfahren, auch solche, die von uns betreut werden, hat diese Entscheidung Auswirkung gezeigt. Die Gerichte, aber auch die Anwaltschaft hofften, eine Entscheidung des BGH würde Klarheit bringen, sodass Verfahren in Erwartung einer baldigen Entscheidung teilweise in die Länge gezogen oder gar unterbrochen wurden.
Der BGH hat diese Hoffnung vorerst beseitigt und das Dilemma in die nächste Runde getragen. Zwei zu dieser Frage gegensätzliche Entscheidungen von Oberlandesgerichten wurden zwar in der Revision vom BGH angenommen. Über die Revisionen hat der BGH allerdings nicht – jedenfalls nicht in der Mindestsatzthematik – entschieden, sondern ein Verfahren ausgesetzt und mit einem sogenannten Vorabentscheidungsersuchen dem EuGH mehrere in sich verschachtelte Fragen vorgelegt.
Der BGH hat nun sinngemäß die Frage formuliert, ob die Regelung verbindlicher Mindestsätze für Planungs- und Überwachungsleistungen gemäß § 7 HOAI aufgrund eines Verstoßes gegen Unionsrecht nicht mehr anwendbar sei. Falls diese Frage verneint werden sollte, will der BGH wissen, ob die Mindestsatzregelung gegen die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) oder gegen sonstige allgemeine Grundsätze des Unionsrechts verstößt und, falls ja, ob aus einem solchen Verstoß folge, dass in laufenden Gerichtsverfahren zwischen privaten Personen (auch juristischen Personen) die nationale Regelung des § 7 HOAI nicht mehr anzuwenden sei.
Allerdings hat der BGH in seinem Beschluss zumindest mitgeteilt, dass er jedenfalls dazu neige, keine direkte Auswirkung der unionsrechtlichen Regelung auf das Vertragsverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer in Deutschland anzunehmen.
Nur am Rande zu erwähnen ist, dass der BGH das 2. Revisionsverfahren zwar entschieden hat, aber die Mindestsatzproblematik hierbei nicht behandelt, weil es hierauf aus anderen Gründen nicht mehr ankam.
Für die Praxis bedeutet dies weiterhin eine Rechtsunsicherheit, bis der EuGH die Fragen beantwortet und daraufhin der BGH über die Revision urteilt. Wann es soweit sein wird, ist offen. Wie die Gerichte die laufenden Verfahren, die hiervon betroffen sind, weiterhin behandelt, bleibt abzuwarten.
In der Zwischenzeit kann daher für die Rechtspraxis nur der dringende Rat erfolgen, auf die Vertragsgestaltung besonderen Wert zu legen. Insbesondere weisen wir darauf hin, dass mündliche Beauftragungen möglichst auszuschließen sind und stattdessen klare Honorarvereinbarungen zu treffen, welche den Rahmenbedingungen der HOAI zumindest entsprechen können.
Bei einer Vertragsgestaltung sind wir gerne behilflich.
Über die Beantwortung des Vorabentscheidungsersuchens durch den EuGH werden wir berichten.