Manchmal wäre es doch schön, wenn man die guten alten Dichter und Denker fragen könnte, was sie von unserer heutigen Welt so halten. Johann Wolfgang von Goethe soll ja ein durchaus biestiger und manchmal auch deftiger Zeitgenosse gewesen sein. Deshalb erscheint es schwer vorstellbar, dass er einen Filmtitel „Fack ju Göthe“, der linguistisch, bildungspolitisch und humoristisch so einiges zu bieten hat, als sittenwidrig bezeichnet hätte. Angeblich, darüber wird trefflich gestritten, soll ja sogar dieses Zitat auf den großen Dichterfürsten zurückgehen: „Gerne der Zeiten gedenk’ ich, da alle Glieder gelenkig – bis auf eins. Doch die Zeiten sind vorüber, steif geworden alle Glieder – bis auf eins.“
Ob von ihm oder anderen, das Zitat passt jedenfalls trefflich zu einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Ende Februar dieses Jahres (Urt. v. 27.02.2020, C-240/18 P). Der EuGH hatte darüber zu entscheiden, ob der bekannte Filmtitel „Fack ju Göthe“ für die Produktionsgesellschaft Constantin als Marke eingetragen werden muss. Das Amt der Europäischen Union für geistiges Eigentum (EUIPO) hatte die Eintragung nämlich mit dem Argument verweigert, das Zeichen sei sittenwidrig und dürfe deshalb nicht als Marke geschützt werden.
Der englische Ausdruck „fuck you“ und in Folge dessen das gesamte Zeichen seien vulgär und Verbraucher könnten daran Anstoß nehmen. Auch die Verballhornung „Göhte“, mit der ein hoch angesehener Schriftsteller verunglimpft werde, lenke nicht vom verletzenden Charakter der Beschimpfung „Fack ju/fuck you“ ab. Das allerdings wollte die Anmelderin nicht einsehen und ging mit ihrem bekannten Titel durch die Instanzen.
Und bekam am Ende Recht.
Das Europäische Gericht Erster Instanz (EuG) hatte die Auffassung des Markenamtes noch bestätigt, der EuGH war dem gegenüber ganz anderer Auffassung. EUIPO und EuG hätten laut EuGH nicht hinreichend berücksichtigt, dass der Titel „Fack ju Göhte“ von der deutschsprachigen Öffentlichkeit offenbar nicht als moralisch verwerflich wahrgenommen werde, denn trotz des großen Erfolgs und der damit einhergehenden großen Wahrnehmung des Titels habe es erkennbar keinen öffentlichen Meinungsstreit über den Titel gegeben. Für den Film seien außerdem jugendliche Zuschauer zugelassen worden und darüber hinaus hätten die Filme Fördermittel verschiedener Organisationen erhalten. Überzeugend ist sicherlich auch der Hinweis des obersten europäischen Gerichts darauf, dass die Filme selbst vom Goethe-Institut zu Unterrichtszwecken verwendet werden.
Das nicht jede gute Wortfindung als Marke geschützt werden kann, haben wir an dieser Stelle schon des Öfteren behandelt. Ähnliches gilt natürlich auf für andere Markenformen, zum Beispiel Bilder. Wenn es bei der Frage der Schutzfähigkeit auch um die Abwägung einer möglichen Sittenwidrigkeit geht, wird es natürlich schwierig. Über Geschmack (und damit auch die Frage der guten Sitten) kann man freilich streiten. Nachdem aber selbst das Bundespatentgericht im Jahr 2011 entschieden hatte, dass auch das deutsche „F-Wort“ als Marke eingetragen werden kann (dort für alkoholische Getränke), scheint die neue Entscheidung des EuGH offenkundig einer sich mittlerweile durchgesetzten Moralvorstellung in der Bevölkerung zu entsprechen. Aus Gründen des Marketings sicherlich eine begrüßenswerte Lockerung. Ob sich das Ganze dann am Ende auch finanziell bezahlt macht, ist eine ganz andere Frage. Bei dem hier in Rede stehenden Filmtitel jedenfalls fällt bei bislang 20 Millionen Kinobesuchern die Antwort darauf nicht schwer.